ABAY – Conversions Vol. 1 (EP)

ABAY? Wer ist das denn?

Beginnen wir diesen Artikel mit einer kleinen Anekdote: Es ist spät, Berlin, Späti-Zeit. Ein Mann namens Jonas Pfetzing streunert durch die Straßen. Der junge Jonas kommt der ein oder anderen Person aus geilen Zeiten irgendwie ein wenig bekannt vor. Kein Wunder: er ist Songwriter und Gitarrist von Juli – jener Gitarren-Deutsch-Pop-Band, die da so den ein oder anderen Hit hatte. Im nächtlichen Berlin trifft Jonas nun einen seiner großen Helden: Aydo Abay, ehemaliger Frontmann von der richtungsweisenden, deutschen Band Blackmail. Was macht man bei einer solchen Begegnung? Richtig – Schnaps trinken. Aydo verzichtet aber, und stattdessen fangen die beiden an, gemeinsam zu musizieren. So soll es passiert sein. 1x Vorspulen um ein paar Jahre. Als ABAY haben Aydo und Jonas im letzten Sommer bereits ihr zweites Album auf den Markt gebracht: „Everything’s amazing and nobody’s happy“. Wat ne Aussage. Der dunkle Indie-Rock geht auf jeden Fall richtig gut auf. Und ABAY scheinen durchaus produktiv zu sein. Der Nachfolger soll noch dieses Jahr erscheinen. Um die kurze Wartezeit weiter zu verkürzen, hauen Jonas und Aydo zum Musiknerd-Tag (Record Store Day) außerdem eine Cover-EP (inkl. limitierter 10“ Vinyl) namens „Conversions Vol. 1“ raus. Einige Songs davon wurden bereits im Vorfeld veröffentlicht und sind bereits im WWW zu finden – andere sind ganz neu.

Eine Cover-EP? Welche Songs werden denn gecovert?

Wie oft wird bei solchen Dingen die Floskel „eine bunte Mischung“ missbraucht. Hier wäre sie aber vollkommen angebracht. Die ersten vier Tracks zeigen den zu erwartenden, ausgefallen guten Musikgeschmack von Aydo und Jonas. „Paradise circus“ von Massive Attack und „Angels“ von The XX werden gecovert, es gibt ein Lambert-Rework vom ABAY-Song „Into the sun“ und das schräge „All the world is mad“ von Thrice bekommt ein neues Gesicht. So weit, so vorhersehbar. Jetzt die Pointe. An fünfter Stelle steht ein Hyper-Hyper-Scooter-Medley namens „Always Hardcore“, gefolgt vom ABBA-Cover „I have a dream“. Verwundert? Ganz ehrlich: geile Mischung – Skepsis ist unangebracht.

Welches sind die großen Momente auf „Conversions Vol.1“?

Der stimmungsvolle Opener „Paradise circus“ beginnt mit einem zarten Klavier und schürt für kurze Zeit die Angst, dass es sich hierbei um ein lahmes Klavier-Cover handelt. Ist aber nicht so. Spätestens mit dem Einsatz der krachenden Gitarren in der Mitte des Songs und Aydos leidender Stimme setzt die Gänsehaut ein. Gleiches Phänomen geschieht im wunderbaren Refrain von „All the world is mad“. Die Zeile „Something’s gone terribly wrong“ erklingt erst über ein todtrauriges Klavier, dann über einen schräg verzerrte Gitarre: eine wahnsinnig gute Harmonie. Weniger mit Gänsehaut, dafür mit einem Lächeln im Gesicht tönt „Always Hardcore“ aus den Boxen. Zu wunderschönen, akustischen Gitarrenklängen sammelt Aydo die wichtigsten Scooter-Textzeilen. „How much is the fish“, „It’s nice to be important, it’s more important to be nice“ und „Maria, I like it loud, so move your ass“ heißt es. Und trotzdem ist das Ganze ein fabelhafter Ohrwurm. Das Scooter-Rezept (keine Texte + eine gute Melodie) funktioniert!

Hand aufs Herz: Sind die ABAY-Versionen besser?

Eine unvermeidbare Frage, wenn auch gar nicht unbedingt der Sinn von Cover-Versionen. ABAY gelingt auf jeden Fall der nicht immer einfache Schritt des „Dem-Song-den-eigenen-Stil-aufdrücken“. Auch wenn die sechs ausgewählten Songs eine musikalische Spannweite von Nordpol bis Südpol aufweisen, werden sie hier in einen harmonischen Einklang gebracht. „I have a dream“ lässt ABBAs Songwriting-Qualitäten definitiv in einem düsteren Licht erklingen, „Paradise circus“ ist ähnlich gut wie das Original (und DAS ist eine Meisterleistung) und das wunderbare „All the world is mad“ wirkt in ABAY-Gewand noch ein wenig zerbrechlicher als im Thrice-Original.

Was muss ich wissen, um meine Freunde zu beeindrucken?

Die EP heißt nicht ohne Grund „Conversions Vol.1„. Auf ihrer Facebook-Seite kündigen ABAY an, dass es sich um die erste Veröffentlichung einer jährlichen Cover-Serie handelt. In vier Jahren sollen die dann gesammelten Cover nochmal zusammen veröffentlicht werden. Konkret heißt das: Da kommen noch weitere geile ABAY-Versionen auf uns zu. Auf Facebook kommen Fans schon mit ersten Wünschen daher und ABAY verraten, dass es auch eine „People’s choice“-Edition geben wird. Das Gewünsche darf also losgehen! Ich fang mal an. Rammsteins „Mein Herz brennt“, Placebos „Without you I’m nothing“ und „Narcotic“ von Liquido. Passt?

Wann sollte ich „Conversions Vol. 1“ am besten auflegen?

Tatsächlich gehört „Coversions Vol. 1“ zu den EPs, die man gefühlt in jedem Moment auflegen könnte. Obgleich seiner Düsterheit kommt diese Ansammlung von Tracks mit unglaublich vielen schönen Melodien daher – einige davon natürlich bereits bekannt. Die EP funktioniert somit einerseits wunderbar als persönlicher Hörgenuss, dürfte aber auch Aufmerksamkeit bei neuen Hörern bekommen. Also: Einfach auflegen, wenn jemand zum Frühstück oder Bier da ist und auf die lächelnden Gesichter warten, wenn Aydo „How much is the fish“ vor sich hin murmelt. Unterhaltung auf Höchstniveau vorprogrammiert.

ABAY sind im April auf Tour in Deutschland.

23.04. Dresden, Ostpol
24.04. Nürnberg, Club Stereo
25.04. Mainz, Schon Schön
26.04. Köln, Artheater
27.04. Münster, Café Sputnik
28.04. Bremen, Tower
29.04. Hamburg, Ue & G Turmzimmer

Die Cover-EP gibt es leider noch nicht auf Spotify – fast alle Lieder sind aber auf YouTube zu finden. Den that new music mix bereichert dafür der ziemlich geniale ABAY-Song „1997 (Exit A)“

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