Agent blå? Wer ist das denn?
Der komische Kreis auf dem „å“ lässt es schon erahnen: Agent blå kommen aus nordischen Regionen. Aus der schönen, schwedischen Stadt Göteborg, um ganz genau zu sein. Dort hat sich in den letzten Jahren jene durchaus junge Kombination mit dem militärischen Codenamen gebildet. Agent blå sind größtenteils erst am Ende ihrer Teenie-Jahre angekommen. Dass das Quintett aber aus späten 90er-Kindern besteht, hört man nur bedingt. The Smiths oder The Cure (auf Speed) sind da eher die großen Vorbilder, einen gewissen Schub Shoegaze à la Slowdive gibt’s auch noch obendrauf. Vermischt man all jenen Kladderadatsch, kommt dabei etwas raus, was die fünf dunklen Schwedinnen und Schweden als „Death-Pop“ bezeichnen. Na, das klingt ja überaus heiter.
Und jetzt haben Agent blå also ein Album veröffentlicht?
Richtig! Das selbstbetitelte Debüt entdeckte am 9. Juni das lange, skandinavische Sommerlicht. Im Voraus hatten Agent blå wie üblich die ein oder andere Single voraus geschickt, anhand derer man sich ausrechnen konnte, was einen so auf Albumlänge erwartet. Relativ schnelle Rhythmen, eine markante, manchmal nölige Frauen-Stimme und ein mal weniger klar, mal klareres Gewitter aus Hall-Gitarren, Bass und Drums. Die Beschreibung gefällt? Dann spätestens jetzt die Platte anmachen und mit „Derogatory embrace“ gleich stattlich beginnen.
Das Album wurde in den Wintermonaten aufgenommen. Hört man das?
Journalisten mögen es gerne jegliche Informationen, die sie über die Recording Sessions finden, auf die vorliegende Platte beziehen. „Ach, der Track wurde größtenteils an einem Donnerstag aufgenommen, deswegen klingt der so glücklich.“ Nee, lass mal! Wobei man sich bei Agent blå wirklich fragen muss, woher diese negative Grundstimmung kommt. Ja, da sind zwar durchgehende die schnellen Rhythmen – einzig „21 38“ beginnt ruhig. Aber Glück? Das muss doch anders klingen. Stimmt schon. Trotz triefender Melancholie haben Agent blå ihre faktische Jugendlichkeit nicht vernachlässigt. Tracks wie „Lucid“ oder „Strand“ besitzen viele wilde Momente und Nuancen. Da wird ordentlich auf die Trommeln gedrescht und in die Gitarren gehauen. Im finalen „Faust“ findet die Soundeskalation ihren Höhepunkt. Schön pointierte Pop-Melodien steuern traumhaft gegen. Vielleicht braucht man tatsächlich ein wenig Tageslicht-Entzug für derartige Konstrukte.
Was sind die großen Momente auf „Agent blå“?
Der Opener „Derogatory embrace“ legt mit seinen peitschenden Gitarren die Messlatte bereits sehr hoch. Sängerin Emelie nölt sich nach vorne und lässt sich hier auch vom abschließenden Tonartwechsel nicht aus der Ruhe bringen. Vor allem im ersten Albumdrittel gelingt es Agent blå jedoch die Messlatte per Stabhochsprung sicher zu überspringen. Das direkt folgende „Strand“ überzeugt mit süßem Indie-Pop-Gespiele in der Strophe und einem Dampfwalzen-Refrain. Nach dem Energiebündel „(Don’t) talk to strangers“ verkleinert das knisternde „Red, white rose“ für einige Sekunden den Soundschwall, um jenen dann schnell wieder aufzubauen. Besonders groß wird es in den Momenten, in denen Agent blå neben dem durchaus interessanten Sound auf ihre Melodien bauen. Ein weiteres Paradebeispiel ist der Refrain von „Dream boy dream“, dem im Schlussteil durch eine einfache Veränderung in der Tonart die Death-Pop-Krone aufgesetzt wird.
Wann sollte ich „Agent blå“ auflegen?
In den in bestimmten Abständen wiederkehrenden Drangphasen nach mehr Jugend. Agent blå zeigen auf ihrem Debütalbum gekonnt, wofür diese Lebensphase eben so steht. Freiheit, Angst, Energie und Fuck-Off-Attitüde. Das Schöne daran ist aber, dass das Hören der Göteborger keine immensen Melancholie-Löcher kreiert, aus denen man so schnell nicht herausfindet. Aufgrund der durchweg voran peitschenden Beats bleibt die Platte frisch und trotz seiner Dunkelheit leichtfüßig. Also am besten kurz in die schwarzen Klamotten zwängen, dieses Album auflegen und mit Kopfhörern in den Straßen die Freiheit und Abgefucktheit des Lebens genießen.
Wenn ihr euch zunächst mal nur einen Song anhören wollt, findet ihr „Dream boy dream“ im that new music mix am Ende dieser Seite.