Der Jahresrückblick auf that new music blog | Im veröffentlichungsarmen Sommer kommen die Highlights von Leto, Electric Horseman, The Cat Empire, Sophie Hunger, Tash Sultana, The Bamboos und Matula. Außerdem ging’s mal wieder aufs Dour Festival.
Album | Leto – Vor die Hunde
Das einzige deutschsprachige Album, welches in dieser Kategorie 2018 abräumt. Und das komplett zurecht! Schließlich bietet das ausgefeilte Leto-Debüt „Vor die Hunde“ eine Vielseitigkeit, die im Indie-Punk-Genre nicht selbstverständlich ist. Nicht nur lyrisch springen die Hamburger Jungs zwischen Gesellschaftskritik und Beziehungsstuff hin und her. Auch musikalisch haben Leto Tiefgang in petto, der nicht nur durch den doppelten Gesang sondern auch die brutal guten Gitarren entsteht. Da können sich sogar die Emo-Punk-Genies von Turbostaat teilweise etwas abgucken. Teilweise geht es auf „Vor die Hunde“ extrem direkt zur Sache („Karma“), häufig aber auch melancholisch-punkig wie in „1000“ oder dem fantastischen „Licht im Fenster“. Einige kurze Punk-Zuckerstücke gibt es in Form von „Anja und Peter“ und „Asymptoten“ auch. Auch wenn das jetzt ein wenig sadistisch kommt: Besonders Freude bereiten Leto, wenn sie wie in „Nicht meine Farben“ eine bedrohliche, düstere Stimmung kreieren. Ganz groß, wie hier im Refrain melodischer Gesang mit ganz leisem aber intensiven Geschrei gekreuzt wird. Ui ui.
*Hier könnt ihr euch nochmal die Video-Review angucken und in einem ausführlichen Interview „Licht im Fenster“ kennenlernen.*
Band | Electric Horseman
Gibt es eine Korrelation zwischen Alter und Musik? Anders gefragt: Wie stellt man sich wohl eine Truppe vor, die Staaten-Musik à la Neil Young macht und gleichzeitig Prog-Anteile à la Pink Floyd aufweisen kann? Ohne hier irgendjemandem zu Nahe treten zu wollen: Eher nicht so wie die spottjungen Jungs von Electric Horseman. Dass die vier Kollegen dann auch noch aus Darmstadt und nicht dem texanischen Hinterland kommen, zerstört die letzten Überreste des gut gepflegten Klischees. Das ist aber auch das Einzige, woran sich der faule Musikjournalist stören lässt. Ansonsten liefern Electric Horseman auf ihrer ersten EP „Arrival“ ausschließlich Grund zur Freude. Absolute Sahne, die da von der Truppe abgeliefert wird, egal ob im wunderschönen, würdigen Opener „Page“ oder dem Akustikgitarren getriebenen „Glassed“. Auch der psychedelisch, proggige Titeltrack überzeugt, während das ausufernde „Wild flowers“ klares Herzstück der EP ist. Am liebsten würde ich die Band hier jede Kategorie gewinnen lassen – mehr muss eigentlich nicht gesagt werden.
*In einem Bandporträt erfahrt ihr alles über die Band – und hier alles über ihren Über-Song „Wild flowers“.*
Solo-Act | Tash Sultana
Acts wie Tash Sultana finden eigentlich auf einer Plattform wie that new music blog nicht wirklich statt. Nicht unbedingt wegen des Major-Vertrags oder dem unglaublichen Reichweite – die Musik zählt schließlich. Wenn aber tausende junge Menschen kreischend ihren Superstar anhimmeln, wird der schroffe Indie-Sozialisierte zumindest etwas kritisch und verlegen. Dabei lohnt sich wie immer ungeframetes Reinhören. Das LP-Debüt von Tash Sultana, schön australisch „Flow state“ betitelt, ist nämlich wahrhaftig eine gute Platte. Klar, da steckt schon eine einigermaßen glatte Produktion dahinter. Dass bei gleich mehreren ausufernden Tracks mit nicht endenden Instrumental-Parts nicht mindestens ein paar Pop-Statuen gebrochen werden, kann keiner erzählen. Kurz zur Erklärung: Tash Sultana macht australische Indie-Mukke, die an allen Enden nach Sommer ruft und hier und da ein bisschen R’n’B integriert. So weit, so uninteressant. Dafür ist Tash an der Gitarre aber ein echtes Genie und fügt fast allen Stücken von „Flow state“ ein großartiges Solo à la Santana oder Hendrix an. Da lässt sich kaum ein Track rauspicken. Vielleicht noch „Seven“, welches Kavinsky-like voranprescht, oder „Pink moon“, welches ganz lange nur von Tashs Stimme und einer Gitarre getrieben wird, ehe das finale Solo mit Percussion doch noch kommt. Endorphine überall. Leider auch Smartphones in der Luft. Aber schön, dass so viele Leute das gut finden. Kann man ja auch so sehen.
*Damals habe ich „Flow state“ eine Kurz-Review gewidmet.*
Video | Sophie Hunger – Tricks
Kurswechsel im Hause Sophie Hunger. Nach einigen vielbeachteten Werken rund um den Indie-Folk-Pop, verschreibt sich die neue Platte „Molecules“ eher elektronischen Welten. Ob das daran liegt, dass die talentierte Schweizerin nun Neu-Berlinerin ist? Man weiß es nicht. Man weiß aber, dass das Experiment sehr gut funktioniert – und Sophie Hunger eine tolle Gesamtkünstlerin ist. Das zeigt auch das aufwendige Video zu „Tricks“. Schaut hier rein:
*In der Kurz-Review erfahrt ihr alles wichtige zu „Molecules“ und seiner Geschichte.*
Und sonst so?
Sommer-Musik gibt’s im australischen Doppel von The Bamboos und The Cat Empire, die zunächst das großartige „Ready now“ raushauen und dann auch im Open-Air-Konzert faszinieren. Der französische Superstar Jain überzeugt auf ihrer zweiten Platte nur bedingt mit einigen Highlights wie „Inspecta“. Etwas ruhiger wird es mit Olafur Arnalds und Anna Kairos, die auf ganz andere Art und Weise das Klavier in den Vordergrund rücken. Im Indie-Rock-Bereich gibt’s unterhaltsamen Stuff von The Fur Coats, The Town Heroes und Basement Revolver. Aus Deutschland kommen die Sommer-Highlights von 1000 Gram und Matula. Nicht aus einer Zeitmaschine sondern ebenfalls aus Australien kommen hingegen RVG mit ihrem Retro-Post-Punk. Außerdem darf natürlich der Festivalsommer nicht fehlen. Für that new music blog ging es erneut aufs Dour Festival – wie immer eine sehr schöne Erfahrung, nicht nur aufgrund des wirklich guten Green Campings.
Viiieeeel passiert. In dieser Playlist habe ich versucht diese zwei Monate zusammenzufassen: