Review zu „Vitriola“ von Cursive | Hier bekommt ihr mehr Dramatik als im Tatort. Cursive spielen auf „Vitriola“ mal wieder gegen den Weltuntergang an und schaffen es in all den nervenauftreibenden Momenten immer wieder kleine, wunderschöne Lichtblicke einzupflanzen.
Welche Musik passt eigentlich am besten zur Apokalypse? Umgeben von einer Welt, in der so viele Pessimisten weismachen wollen, dass wir in der schlimmsten Zeit überhaupt leben, werde ich ja wohl nicht der einzige sein, der sich diese Frage stellt. Ist es unbeeindruckte Neo-Klassik, die wie Nils Frahm in „Victoria“ selbst in der abgefahrensten Situation eine unheimliche Ruhe und Intensität versprüht? Oder finnischer Ur-Death-Metal, der einem wie die absolute Verwüstung entgegendrischt? Oder doch die amerikanische Rockband Cursive, die mit einer peitschenden Mischung aus Gitarren-Gewittern und Cello-Spritzern eine besondere Dramatik kreieren? Wie ein Weltuntergang klingen könnte, zeigt die Truppe aus Nebraska auf ihrer neuesten Scheibe „Vitriola“. Während sich die Band auf ihren vorigen sieben Alben häufig den Vorwurf gefallen musste, dass die Werke durch konzeptuelle Geschichten und überladene Songs zu konstruiert seien, thront über der neuen Platte erstmal kein übergreifendes Konzept. Was aber keineswegs heißen soll, dass „Vitriola“ leicht zugänglich oder zusammenhangslos wäre. Vom dramatischen Opener „Free to be or not to be you and me“ weg bellt Sänger Tim Kasher über intensive Instrumentals, die immer so wirken, als würden sie gleich vor Reibung und Spannung zur Kernspaltung fortschreiten und in der Explosion enden. Über das Album hinweg gelingt es Cursive jedoch immer wieder inmitten dieser nervenaufreibenden Dramatik wunderschöne Elemente zu verstecken. Im tollen Refrain von „Pick up the pieces“ verbreitet das Cello zur Abwechslung mal keine dystopische Stimmung, wohingegen „Under the rainbow“ immer wieder stark verzögert und einen Traum-Refrain verpasst bekommt. Das ruhig gehaltene „Everending“ besticht hingegen durchgehend durch seine Schönheit, während „It’s gonna hurt“ und „Life savings“ zwischendurch gar einen Groove entwickeln. Auch wenn es jetzt gerne nicht der absolute Weltuntergang sein muss – zum nächsten Gewitter oder der nächsten Auswertung der Sonntagsfrage dürft ihr Cursive und „Vitriola“ gerne auflegen.
Ihr wollt euch die Apokalypse auf die Ohren holen? Hier geht’s lang: