Depeche Mode – Spirit (LP)

DEPECHE MODE? Die gibt es immer noch?

Jap. Und zwar sowas von. Die Rückkehr im stets beliebten vier-Jahres-Rhythmus konnte die 80s-Proto-Band gar nicht kleiner ankündigen: Pressekonferenz. Und das nicht für ein paar Lokalheinis sondern per Facebook-Live für die gesamte Welt. Nachdem sich dann auch noch die Telekom Street Gigs eingemischt haben und ein Berliner Konzert am Release Day zu Tode promotet haben, müsste auch der letzte Schwarz-Tragende vom neuen Album „Spirit“ der Herren Gahan, Gore und Fletcher gehört haben.

1) Wie klingen Depeche Mode 27 Jahre nach „Violator“?

Immer noch elektronisch. Und düster. Letzteres ist wohl der einzige Punkt, auf den sich die zahlreich erschienen Kritiken einigen können. Von „peinlich“ bis Riesenhighlight ist alles dabei. Das kommt davon, wenn mal wieder jeder seinen Senf zu Depeche Mode geben möchte. Oh, ich ja auch. Gut, düster stimmt tatsächlich. Aber wie auch immer: Die Briten klingen noch immer wie Synthie-Electro-Pop-Band, setzen aber auch hier immer wieder Gitarren ein – wie immer in den letzten Jahren. Nach den 80ern klingt „Spirit“ also nur bedingt. Aber wer braucht ein zweites „Music for the masses“, wenn es denn doch schon ein erstes gibt? Merkt ihr selber, ne?

2) Welches sind die großen Momente auf „Spirit“?

Das erste Drittel (entspricht den ersten vier Songs) gibt musikalisch Vollgas. Die bereits bekannte Single „Where’s the revolution“ ist prominent an zweiter Stelle platziert und funktioniert da mindestens genauso gut wie als Standalone-Track. Besonders das smoothe Elektrogeblubber der Strophe zeigt, wie Depeche Mode 2017 klingen sollten. Experimenteller wird es in „Scum“ – einen von der dramatischen Elektronik getragenen Hektik-Track, der mit seinen gut drei Minuten den Status „heimlicher Hit“ verdient. Groß ist ebenfalls der Opener „Going backwards“, der die atmosphärische Marschrichtung angibt und mit seinen Melodien überzeugt.

3) Wer kriegt’s diesmal ab in den Texten?

Die Kirche muss sich dieses Mal nicht fürchten: Über den Humor von Gott wird nicht gesungen. Stattdessen wendet sich Dave Gahan an ein großes Publikum: an uns. Also die Welt. Die Gesellschaft. Alle. Auch die Band. Gesellschaftskritik, Politikkritik und so weiter. So erklärt sich auch die düstere Grundstimmung. Die Lyrics sind dabei deutlich weniger verwoben und wirken somit teils arg plakativ – böse Zungen mögen es „platt“ nennen. „We’re going backwards to a caveman mentality“. Kann man schon so sagen. Ist letztlich aber auch so vage wie das Wahlprogramm von Mitte Rechts. Ups.

4) Was muss ich wissen, um meine Freunde zu beeindrucken?

Auch auf Spirit teilen sich Martin Gore und Dave Gahan wieder die Songwriting-Anteile. In 2/3 zu 1/3 versteht sich. Der Frontmann durfte also vier Songs aus eigener Feder beisteuern. Erlaubt Gore dies nur, damit Gahan überhaupt noch mit dabei ist? Lassen wir das mit den Klatsch-und-Tratsch-Vermutungen. Die Gahan-Tracks machen den Mittelpart von „Spirit“ aus. Auf das musikalisch und textlich arg flache „You move“ folgt „Cover me“: Das Gahan-sche Highlight tappt lange im mysteriösen Düstern ziellos umher, erzeugt dadurch aber eine besondere und für das Album charakteristische Stimmung. Bevor es mit dem Gitarren-lastigen „Poison Heart“ weitergeht, darf Martin Gore an den Gesang: Das dramatisch- und gleichzeitig himmlisch-klingende „Eternal“ ist eine Hommage an seine Tochter, auf die man aber leider auch ganz gut hätte verzichten können.

5) Wann sollte ich „Spirit“ am besten auflegen?

Auf einer Depeche-Mode-Party. Haha. Tatsächlich wäre dieser sehr schöne Ort gar nicht die perfekte Wahl. Wirklich tanzbar ist auf „Spirit“ wenig. Das preschende „So much love“, vielleicht noch die Single sowie „Scum“ und „You move“. Ansonsten ist „Spirit“ sehr sperrig, atmosphärisch, gefällt nicht auf den ersten Blick und ist somit mehr oder weniger ungeeignet als Hintergrundmusik. Das Album fordert definitiv Aufmerksamkeit, da es sich sonst nicht entfalten kann. Persönlicher Tipp: auf Kopfhörern beim Reisen oder Joggen.

Schreibe einen Kommentar