Manchmal muss ein bisschen Melancholie eben auch sein. Schön seufzend und nach Rotwein lechzend hinterlassen im Jahr 2017 diese zehn Tracks.
10. Mellowtone – Stay
Nicht aus Bristol oder aus London sondern aus der tiefen Schweiz kam 2017 diese schöne Trip-Hop-Platte. Mellowtone überzeugen auf „Broken rooms“ mit einer Mischung der altbekannten Trip-Hop-Düsterheit und vielen schönen Momenten aus dem Indie-Pop wie zum Beispiel im sanften „Stay“, welches von einer Orgel sowie einer riffenden Gitarre getrieben wird.
9. Tim Neuhaus – A little love
Der auffällige Clueso-Schlagzeuger zeigt sich auf seiner Solo-Platte „Pose I + II“ von einer sehr guten Seite. Neben Indie-Rockern und klassischen Folk-Tracks sticht dabei die famose Indie-Ballade „A little love“ heraus, in dem Tim Neuhaus nicht nur mit einem magischen Tonartwechsel eine zauberhafte Stimmung erzeugt.
8. Wanda – Café Kreisky
Was war die neue Wanda-Platte nur für eine Überraschung. Das tolle „Niente“ strotzt nur so vor melancholischen Stücken und macht aus den ehemaligen Rock’n’Rollern angepasste Indiepopper. Auf einem runden Album mit durchgängig starken Tracks bleibt dabei insbesondere das kurze „Café Kreisky“ hängen, in dem ein schönes E-Piano dominiert.
7. The Dears – To hold and have
The Dears und ihr perfektionistischer Kopf Murray Lightburn waren seit eh und je für leicht überladenen Songs bekannt, die gerne mal an der 10-Minuten-Marke schnuppern. Für viele ein wenig überfordernd, was scheinbar auch die kanadische Truppe gemerkt hat. Auf ihrer Platte „Times infinity (Volume one)“ haben Lightburn und Co. daher auf eingängigere Stücke gesetzt; mit Erfolg: Das wunderbare „To hold and have“ badet in Streichern und Bright-Eyes-Girarren und schwebt irgendwo zwischen Federn und tropfender Melancholie. Berührend!
6. Flinn – After the wall
Mit Folk ist das ja bei mir so eine Sache. Nur selten können eine gezupfte Gitarre und ein Musiker einfach so überzeugen. Aber: Ausnahmen bestätigen die Regel. Und so eine Ausnahme ist der amerikanische Songwriter Sean Flinn, der unter seinem Nachnamen dieses Jahr die Platte „The lost weekend“ hierzulande veröffentlicht hat. Highlight ist dabei das einfühlsame „After the wall“, welches mit einem effektiven Tonartwechsel im Refrain genau den besonderen Moment erzeugt, den ein derartiger Song haben muss.
5. Tinpan Orange – Wanderers
Bleiben wir doch gleich beim Indie-Folk – und nehmen den Langstrecken-Flug nach Australien. Von den charmanten Tinpan Orange ließ ich mich schon vergangenes Jahr verzaubern. Nach ihrem starken 2016er-Album „Love is a dog“ gab es heuer nur eine Single, die es dafür umso mehr in sich hatte. Schon bei Release konkurrierte das traurige „Wanderers“ um den Titel des besten Songs der australischen Kombo. Das Stück über eine Fehlgeburt von Sängerin Emily ist mit zuckersüßen Streichern überzogen und wurde übrigens gemeinsam mit Emilys Gatten Harry James Angus (Sänger von The Cat Empire) geschrieben.
4. Emily Haines & The Soft Skeleton – Statuette
Von einer anderen Emily gab es dieses Jahr völlig überraschend gleich ein ganzes Album voll Melancholie-Material. Die sonst bei Metric als Frontfrau angestellte Emily Haines hat nämlich unerwartet ihre zweite Solo-Platte – die erste nach über zehn Jahren – veröffentlicht. Auch auf „Choir of the mind“ stellt die Kanadierin mit der charismatischen Stimme wieder das Klavier in den Vordergrund. Vereinzelt verziert Emily ihre Tracks jedoch mit anderen Einflüssen – wie das grandiose „Statuette“, welches von einem smoothen Bossa-Nova-Beat unterlegt ist. Eine spezielle Hymne über die Selbstbestimmung von Frauen. Traurig, dass darüber 2017 immer noch gesungen werden muss.
3. Cage The Elephant – Telescope (Unpeeled)
Auch wenn ich an der Akustikplatte „Unpeeled“ einiges zu meckern hatte, zeigt diese, was Cage The Elephant nach vier Alben für ein großartiges Repertoire zu bieten haben. Wurde ihr letzter Streich „I’m not pretty“ vollkommen zurecht mit einem Grammy ausgezeichnet (überraschend, oder?), weisen auch die alten Alben Perlen auf. Einige erscheinen im Akustikgewand in noch schönerem Licht – allen voran das großartige „Telescope“. Die Ballade sorgt für Gänsehaut, grüßt im phänomenalen Refrain die Tränendrüsen und lässt sich trotzdem voller Hoffnung mitsingen. Was für eine unglaubliche Wiederentdeckung.
2. Baxter Dury – Prince of tears
Preisfrage: Welches Instrument erzeugt in der Popmusik am ehesten einen melancholischen Klang? Meist ist es das Zusammenspiel mehrerer Elemente, wäre wohl die pädagogisch wertvolle Antwort. Einen großen Teil spielen aber ohne Frage Streicher. Auf diese setzt der britische Dandy-König Baxter Dury auf seiner 2017er-Platte vermehrt. Auf „Prince of tears“ trifft Gainsbourg-Pop auf Indie-Pop, sanfte Pianos und großartige Violinen und Celli. Den Hauptpreis des Albums, welches vor tanzbarer Melancholie auseinanderbricht, steht dabei dem Closer und Titeltrack „Prince of tears“ zu. Hier überlässt Baxter Dury fast vollständig seiner Gesangskollegin Madelaine Hart den Vortritt, die mit ihrer gehauchten Stimme die perfekte Ergänzung zum smoothen Klavier und dem Streicher-Überzug bietet.
1. Warhaus – Fall in love with me
„Fall in love with me“ – ein Lied über eine unmögliche Beziehung – steht am Ende dieser Liste klar an der Spitze. Von Sänger und „Projektleiter“ Maarten als Weihnachtslied betitelt ist der Closer des zweiten Warhaus-Albums ein wahnsinnig gutes Zusammenspiel der Bestandteile, die das großartige Solo-Projekt ausmachen. Auch hier spielen die immer stärker werdenden Streicher eine große Rolle, während die Akustikgitarre und eine ausgetüftelte Schlagzeug-Begleitung das Grundgerüst stellen. Ganz fantastisch wird es, wenn Maartens besonders kratzige Stimme von ihrem weiblichen Gegenpart gedoppelt wird. Schließlich übernimmt Maartens Freundin Sylvie vollkommen und sorgt für ein harmonisches Ende. Man möchte weinen, so schön ist es.
Hier könnt ihr euch die volle Melancholiepower geben: