Die Toten Hosen legen diese Woche zur Ehre des 30. Geburtstages von „Ein kleines bisschen Horrorschau“ ihr Erfolgsalbum neu auf. Was auch immer man von solchen Re-Issues oder Campino und Co. halten mag – diese Platte ist ganz groß und hat so einige Meisterstücke zu bieten. that new music blog blickt auf fünf Tracks, die auch 30 Jahre später noch im Gedächtnis bleiben.
5. Ein Schritt zuviel
Als einziger Song der Platte wird „Ein Schritt zuviel“ von einer Akustikgitarre begleitet. Wie Kuddel hier mit seinem 6-Saiter für warme Lagerfeuer-Klänge sorgt, ist in der frühen Hosen-Diskographie vielleicht einzigartig. Eine lupenreine Ballade ist der Track jedoch trotz der Abstinenz des Schlagzeugs nicht. Zumindest die Vorsilbe „Power“ verdient sich „Ein Schritt zuviel“ aufgrund des mächtigen Refrains, in dem verzerrte Gitarren die Überhand nehmen und wundervoll die Lyrics untermalen.
4. Musterbeispiel
Was für ein Intro! Knapp eineinhalb Minuten schleppt sich der Instrumental voran, ehe das Gitarren-Riff Fahrt aufnimmt. Über einen stoischen Bass und Kriegstrommeln spielt die Solo-Gitarre kleine Feedback-Spielchen und imponiert mit einem leicht blechernen Sound. Ein traumhaftes Vorspiel des eigentlich sehr punkigen Tracks, der im hinteren Drittel des Konzeptalbums Alex‘ gute Haltung im Gefängnis thematisiert. Nur zu schade, dass in vielen Live-Versionen die Düsseldorfer Jungs auf das lange Intro verzichten und direkt mit dem wilden Riff einsteigen. In dieser Album-Version aber auf jeden Fall unverzichtbar.
3. 180 Grad
Der wohl unbekannteste Track dieser Auflistung ist ein eher untypischer Hosen-Track, der aber an diesem frühen Punkt der Diskographie das musikalische Potential der Band zeigt – und damit irgendwie Metapher für das gesamte Album sein könnte. Über einen bedrohlichen Post-Punk-Beat im Mid-Tempo ist Campinos Gesang zunächst ordentlich modelliert und sticht damit klar heraus. Es folgt mit dem Einstieg der Gitarren der scheinbare Ausbruch, der jedoch auf Kosten einer zweiten, mysteriösen Strophe zurückgehalten wird. Hier werden die wavigen Gitarre immer dominanter, um schließlich doch im Refrain zu landen. Immer verstörender wird es am Ende, wenn Campino sich teilweise die Seele aus dem Leib brüllt. Ein düsterer Track, der aber häufig zu Unrecht übersehen wird.
2. Hier kommt Alex
Natürlich. Wie könnte Album-Opener und der Track, der bis heute einer der größten Hits der Band ist, in dieser Liste fehlen. An dieser Stelle aber ganz ehrlich: Wenn er nicht so gut wäre, wäre er hier auch nicht dabei. „Hier kommt Alex“ ist aber bezüglich Songwriting, Energie und Sound einfach ein Vorzeigebeispiel für deutschen Rock aus dieser Epoche – oder eigentlichen deutschen Rock insgesamt. Das traumhafte Gitarrenriff, die schnörkellose Begleitung, die schließlich von geschrubbelten 16tel-Gitarrenklängen in die Höhe getrieben wird und einfach dieser monumentale Refrain, den heute mehrere Zehntausende mitsingen. Aber „Hier kommt Alex“ wäre ohne seine starke Bridge mit Gitarrengejaule nicht komplett – einfach durchgängig eine Hit-Nummer, die sich diesen Status vollkommen verdient hat.
1. Mehr davon
„Das ist ein Lied, was wir schon länger nicht mehr gespielt haben. Vielleicht machen wir damit einen paar alten Freunden einen Spaß.“ Mit diesen Worten leitet Campino bei der 2008er-Ausgabe von Rock am Ring eine der wohl denkwürdigsten Hosen-Performances der Neuzeit ein. Es folft das düstere Intro zu „Mehr davon“, zu dem der am Fuß verletzte Sänger (dicke Schiene inklusive) die Bühne hochklettert und auf deren Dach dieses Zuckerstück vom Horrorshow-Album darbietet. So groß diese Live-Version auch ist – an die intensive, perfekt ausbalancierte Studio-Version kommt sie nicht ran. Ganz sanft schleicht sich das Stück zunächst voran, um nach dem ersten Refrain mit einem fantastischen Zusammenspiel von Gitarre, Bass und dem imposanten Schlagzeug loszulegen. Langsam treibt sich „Mehr davon“ in die Höhe: Massivere Verzerrungen und spaceige Gesangseffekte sorgen für eine wilde Dynamik, die nach schönen Refrains letztlich in der ekstatischen Geschrei-Verzerrungshölle endet. Ein wilder Ritt, der definitiv auf dem Top-3-Songs-Podium der Bandgeschichte landet.
Hier könnt ihr euch nochmal in Ruhe mit einem der besten Hosen-Alben beschäftigen: