Dodie – Human (EP) | Review

Review zur „Human“ EP von dodie | Im Hype Check äußert der geheimnisvolle Gastautor Lorator seine Gedanken zu aktuell angesagten Acts aus dem Indie-Kosmos. Ohne Blatt vorm Mund und voller Ladung bissiger Ehrlichkeit beurteilt er im ersten Teil das Mini-Album „Human“ der englischen Künstlerin dodie.

Zugeben: Bevor ich die Nadel auf meinen virtuellen Plattenspieler setze, um die Platte zu verkosten, bin ich schon skeptisch. Dodie: 1 Million Follower auf Instagram, YouTuberin. Sie sagt: „I have emotions! I write songs about those emotions!“. Ihr Management sagt: “dodie ist Influencerin. Aber eine von den Guten“. Na, das kann ja heiter werden. Was ist das überhaupt, Influencer? Margaret Thatcher hatte auch einen Einfluss – nur bekanntlich keinen guten.

Wie dem auch sei, die Musik setzt ein, der Vorhang der Stille hebt sich.

Ein summender Männerchor mit dem längsten Atem Essex‘ leitet das Album ein. Kein einziges Mal holen sie Luft, so empfindet mein geschultes Gehör.

Das versetzt dem Song „Arms unfolding“ eine Künstlichkeit, die sich später nochmal zeigen wird.

Es ist angenehm, ohne jegliche Instrumente in das Klangstück einsteigen zu dürfen, mit einer Stimme, die keine Gänsehaut hervorruft, aber auch keine Abscheu entstehen lässt. Es erscheinen sparsam gesetzte Sprachakzente wie im Mönchschor, nur etwas schneller mit anderen inhaltlichen Thematiken. Ließe man den Plattenspieler langsamer laufen, man wäre direkt in der Kirche und könnte beichten, eine solche Musik zu hören.

Es folgt „Monster“. Eine Art klanglicher Take Away Show (wer es kennt), die nur von einem fimmeligen Piepsen durchbrochen wird.
Es ist ein klassisches Album, das ohne guten Gesang völlig in der Belanglosigkeit versinken würde, live wohl in ganz ähnlichem Stil. Stimmlich ist dodie stark an Lorde (musste überprüfen, dass ich nicht Lordi schreibe) angelehnt, ohne aber die mystische Tiefe verbreiten zu können. Trotzdem gibt es vereinzelt spannende Überlagerungen von Drumbeats mit gesanglicher Unter- und Übermalung.

Bei „Not what I meant“ taucht unfreiwillig der Gedanke auf, die Musikerin habe einen ganzen Soundbaukasten in ihr Schlafzimmer gestellt, um jeden Song mit anderem instrumentellen Einstieg zu ermöglichen. Oder zählt es auch als Schlafzimmer, wenn man eine Matratze ins Studio legt?
Melodisch ist das ganze anregend, nur der Paargesang ist wie Butter unter Nutella. Großer geschmacklicher Unterschied nicht festzustellen, man merkt aber, dass es irgendwie ein bisschen zu viel ist. Nur in diesem Fall nicht unbedingt „auch etwas geil“.

Es geht weiter.

Ich höre ein leichtes Zupfen und dazu eine sympathische Frauenstimme. Doch reicht das schon für einen guten Song? Dodie ist nicht allein. Dann und wann setzt ein kleiner Frauenchor ein und ein Mann gesellt sich stimmlich an ihre Seite. Die Beats im Hintergrund erinnern ein wenig an Martin Baltsers unrhythmische moderne Sinfonien. Auch ein Klavier untermalt den klanglichen Aufbau. Die junge Britin singt: „I am so human“. Human, so hat sie auch den Song und das Album genannt. Nur eben ein human mit 1,7 Millionen Folgern. Der gepitchte Chor will mithalten und ergänzt: „We’re so human“ in erschreckend synthetischer Form. Die künstliche Intelligenz hat noch nicht überall Einzug erhalten, hält aber alle außer Atem. Die künstliche Akustik ist hingegen schon sehr präsent und haucht dem Song etwas Moderne ein.

Zum Gesangsrhythmus lässt sich beim Song „Human“ sagen, dass dodie klingt, als ob Ben Howard seinen Mund aufbekommt, aber bei einem Kaffee gelangweilter Gesprächslaune ist.

„She“ könnte beinahe ein schöner, schlichter Singer/Songwriter Track sein, wenn eine Gitarre auf der Seite noch vier Cellosaiten hätte und dodie drei Münder nebeneinander. Es fühlt sich so an, als hätten die Songs zu wenig Substanz und müssten mit herkömmlichen Mitteln gestopft werden.

„If I’m being honest“, die Synthesizer sind eine gute Grundlage und auch der Gesang gefällt, vielleicht wären die Songs ehrlicher, wenn das Gefimmel ein wenig mehr eingeschränkt würde. Das hier ist trotzdem der angenehmste Song.

„Burnout“: Nach dem siebten Song schon ausgebrannt, naja, dann ist das Album halt zuende.
Ein seichter Abschied, der nicht zum Nachdenken anregt. Viel bleibt nicht hängen, außer der Name der Künstlerin, den ich mit jemandem verbinde, an den ich mich nicht erinnern kann. Das fasst auch das Album sehr gut zusammen. Schon mal irgendwo gehört, weiß aber gerade nicht mehr wo. Ist ja auch egal.

Words by Lorator

Könnt ihr das Urteil nachvollziehen? Am besten macht ihr euch selbst ein Bild bzw. einen Ton! 😉

Schreibe einen Kommentar