Review zu „Future“ von Eliza Shaddad | Irgendwo zwischen dem Vibe von Folk-Songs und dem melancholischen Dreck namens Grunge ordnet sich Eliza Shaddad ein. Die Engländerin bringt nun ihr erstes Album „Future“ heraus, welches auf traumhafte Weise eine besonders schmerzvolle Situation besingt. Ein intensives Erlebnis – wie ihr der Review entnehmen könnt.
Eliza Shaddad? Wer ist das denn?
Die Geschichte von Eliza Shaddad ist wie gemacht für ausführliche und bildhafte Vorstellungen. Aus einer künstlerisch affinen Familie kommend, die obendrein aufgrund des Jobs der Mutter noch die halbe Welt bereist, macht die junge Eliza im Londoner Kreativ-Kiez Shoreditch ein bisschen Straßenmusik. Dabei wird sie von Clean-Bandit-Mitglied Jack Patterson entdeckt und erstmal als Aushilfssängerin auf deren nächste Platte gepackt. Währenddessen spielt Eliza immer weiter Gitarre, schreibt Songs, bereist mit ihren Kumpels britische Festivals und denkt sich schließlich, dass sie es ja immerhin mal probieren muss mit dem Rockstar-Sein. Man habe ja nur ein Leben. Ist so. Und in diesem bringt Eliza Shaddad nun nach zwei vielversprechenden EPs ihren ersten Langspieler „Future“ raus.
In welchen Sphären bewegt sich das Album?
Eliza hat lange überlegt, um schließlich ein ganz klares Bild zu bekommen, wie „Future“ klingen soll. Ihre eigene Beschreibung schießt dabei den Vogel ab. Sie selber betitelt den Stil als „Dark Pop“ und erzählt von der Verbindung dreckiger Grunge-Sounds und dem Vibe, den eine Folk-Platte ausmacht. Irgendwo dazwischen bewegt sich ihr Debütalbum, welches in vielen Momenten an das letztjährige „Ssky is mine“ von The Duke Spirit (hier in der Video Review) erinnert. Wie Liela Moss und ihre Jungs agiert Eliza mal druckvoll und mit viel Pop-Appeal („Daydreaming“), mal düster atmosphärisch wie in „Are you there“. Neben den klar im Mittelpunkt stehenden Gitarren tauchen auch immer wieder stimmungsvolle Keyboard-Schichten auf – sei es um das Klangbild während eines Gitarren-Solos zu vertiefen wie in „Slow down“oder zur Einführung anderer Sounds wie in „White lines“. Der Opener beweist außerdem, dass sich Eliza nicht nur am 6-Saiter auskennt, sondern auch mit spannenden Bass-Läufen und Schlagzeug-Einlagen aufweisen kann.
Was muss ich über „Future“ wissen, um meine Freunde zu beeindrucken?
Fast das ganze Album erzählt eine Geschichte bzw. eine persönliche Lebenssituation, die von eben jener Schwermütigkeit und gleichzeitig bittersüßen Versuchung gezeichnet ist. „Future“ dreht sich um das Herauskommen aus einer Beziehung, die eigentlich von allen Seiten her perfekt ist, aber die eine Person für die andere einfach nicht „the one“ ist. Jeder, der ansatzweise diese Situation erleben durfte, versteht sofort die verschiedenen Stimmungen der Platte. Das luftige „White lines“ besingt die Freunde, die richtige Entscheidung zu treffen – der düstere Gegenpart eher die Zweifel, etwas Falsches gemacht zu haben. Immer wieder lassen sich markante Textfetzen aufgreifen, die insbesondere mit dem Wissen über das Thema von „Future“ für Erschaudern oder Gänsehaut sorgen.
Was sind die großen Momente?
„Maybe I leave today“ ist eine dieser eben angesprochenen Zeilen, die in „This is my cue“ auf mächtige Art und Weise den Refrain einleiten. Wie eine bombastische Feststellung, die wie eine Ozeanwelle ins Gesicht kracht, kommen Gitarre, Bass und Schlagzeug hier angerauscht, nachdem Eliza die Hook mit einer steigernden Intensität in der Stimme angekündigt hat. Auf den zweiten Refrain folgt ein traumhaftes kleines Solo-Interlude, wie es viele auf dieser Platte gibt. Im ruhigen „The conclusion“, in dem am Anfang gar elektronische Einflüsse durchbrechen, sorgt eine feine Solo-Gitarre für einen traumhaft schönen Augenblick, der die verzweifelnde Stimmung auf den Höhepunkt bringt – ebenfalls zu hören am Ende von „Slow down“. Auch in „My body“ wird die vorherrschende, bedrohliche Atmosphäre perfekt in Szene gesetzt. Das steigende Gitarren-Fill bringt zwischen Refrain und Strophe immer wieder eine Extra-Schibbe Dramatik rein. Etwas positiver ist das in seiner Gesamtheit fantastische „White lines“, welches vollommen zurecht die Platte eröffnet.
Wann sollte ich die Platte auflegen?
Wenn die Kopfhörer auf gerade noch gesunder Lautstärke eingestellt sind, inmitten von wuselnden Menschenmassen. Drumherum passiert die Welt, während Eliza Shaddad und „Future“ den eigenen Geist so sehr einnehmen, dass theoretisch auch die Apokalypse kommen könnte, man aber trotzdem der berüchtigte Fels in der Brandung bleibt. Die zehn Songs sind von einer erschaudernden Intensität gezeichnet, die vor allem durch das einmalige Zusammenspiel von gutem Songwriting, großen Gitarren und einem perfekten Soundbilt entsteht. So ist „Future“ extrem markant und tiefgehend geworden und ein tolles Zeitdokument für jeglichen Lebensabschnitt, der der erzählten Story auch nur ein wenig ähnelt.
Hätte ICH bis hierhin gelesen, würde ich jetzt unbedingt das ganze Album hören wollen. Also – los geht’s:
Hier könnt ihr Eliza Shaddad noch dieses Jahr auf Tour sehen:
10.12. Hamburg, Nochtwache
11.12. Berlin, Privatclub