Green Camping | Smooth, entspannt und doch verrückt

#dour2018 | Seit eh und je hagelt es in sozialen Medien Vorurteile, wenn es um das Green Camping auf Musikfestivals geht. Spießig, nicht „real“, keine Stimmung. Alles Quatsch, zumindest auf dem grünen Camping-Areal des Dour Festivals. Ein durchweg positiver Erfahrungsbericht.

Was ist das Konzept des Green Campings?

Seit einigen Jahren sprießen Green Campings auf den verschiedensten Festivals aus dem Boden. Vielmals um etwas älteren und Komfort-bedürftigen Besuchern eine Übernachtungsmöglichkeit zu bieten – Nachtruhe häufig inklusive. Gleichzeitig konzentrieren sich viele Festivals auf ein etwas grünes Konzept, verbieten bestimmte Artikel und sorgen dafür, dass das dazugehörige Gelände zumindest ein bisschen sauber gehalten wird. Auf dem Dour Festival stehen hier vor allem der grüne und der Wohlfühlfaktor im Zentrum. Offizielle Regeln verbieten das Liegenlassen von Abfällen und drohen mit dem Ausschluss. Nette Volunteers verteilen verschiedene Müllsäcke zur Trennung und überwachen freundlich die Lage. Nachtruhe ist nur bedingt ein Thema, da sich der kleine Campingplatz in unmittelbarer Nähe des Geländes und somit der übermächtigen Elektro-Bühne Elektropedia befindet. Hier wird nächtlich bis 3 Uhr durchgeballert – danach bleibt auch der Zeltplatz ruhig.

Eine dauerhaft fantastische Stimmung © Till

Gibt’s das schon länger?

Emilie und Caro vom Nachhaltigkeits-Team berichten, dass es das Green Camping bereits vor 15 Jahren gegeben hat – lange bevor dieser Trend also im Mainstream ankam. Aufgrund grauenhafter Erfahrungen mit dem Müllverhalten der damaligen Besucher wurde das schöne Projekt nach nur einer Edition wieder abgeblasen und erst 2017 wieder eingeführt. Dabei hat das Dour Festival die Pressearbeit extra klein gehalten, aus Angst vor schlechter Kritik bei ähnlichen Erfahrungen wie zu Anfang des Jahrhunderts. Nun ist das Green Camping zum zweiten Jahr in Folge ausverkauft.

Und wie sieht’s da aus?

Top! Wie die beiden Ladys es korrekt beschreiben, hat sich einfach etwas getan im Umweltbewusstsein des Festivalpublikums – zumindest dem, welches im Vorfeld das Green Camping gebucht hat. Vor allem in den ersten Tagen räumen die Gruppen brav ihre Abfälle in die passenden Müllbeutel. Gegen Ende des Tages bleibt dann auch gerne mal etwas auf dem Tisch liegen, verschwindet aber verlässlich mit dem Laufe der Zeit im Trash Garden. Am Abreisetag gibt es bis auf dezent zertretenes Gras keine Anzeichen einer fünftägigen Party-Veranstaltung.

Entspannung im Spa-Bereich © Till

Was bietet das Green Camping sonst so?

Hier wird es richtig schmackhaft. Für die 35 Euro, die sich die Karte kosten lässt, gibt es nicht nur erhöhte Sicherheit und eine Top-Lage, eine Minute vom Festivaleingang entfernt. In einem kleinen Bereich haben die Verantwortlichen eine Chillout-Area inklusive Bar aufgebaut. Hier gibt es Liegestühle und Hängematten, aus denen man den morgendlichen Yoga-Kurs im Schatten (ganz wichtig!) beobachten kann. Wer selber aktiv werden möchte, kann sich an der Rezeption Bälle und andere sportliche Spiele ausleihen und dafür eine große Wiese benutzen. Zur kulinarischen Versorgung zählt ein Local-Beer-Tasting, welches jeden Morgen stattfindet und das gerade erst erwachte Publikum mit köstlichem Bier aus der Region verwöhnt. Dafür lohnt es sich, aus dem Zelt zu kriechen. Auch nicht schlecht: der Whirlpool und eine 10-Leute-fassende Sauna, die sich nach Anmeldung für eine Stunde umsonst nutzen lässt und jeglichen Kater-Anflug in die Hölle jagt. Zu guter Letzt gibt es angenehm saubere Trocken-Toiletten sowie genügend Duschen, die selten eine Wartezeit von mehr als zehn Minuten verursachen.

Eines der leckeren Biere, die umsonst probiert werden konnten © Till

Welches Publikum geht dorthin?

Ein Blick in die Runde sieht erfreute Gesichter, die sich größtenteils zwischen 25 und 35 Jahren einordnen lassen. Aber bloß nicht fragen, wie alt die Nachbarn sind. Schnell stellt sich heraus, dass nicht nur ein etwas Komfort suchendes Post-Studium-Milieu am Start ist, sondern auch gerade erst 18-Jährige, die gar zum ersten Mal ein Festival besuchen, sich aber top verhalten. Insgesamt ist die Mischung sehr angenehm und imponiert vor allem mit Entspanntheit und trotzdem einer gesunden Portion Craziness. Von Spießertum ist hier genauso wenig zu sehen wie von spätpubertierenden Randalierern, die ihre Grenzen austesten. Ein paar Engländer sind da, ansonsten viele Franzosen und Belgier. Auch hier wird schon am Morgen getrunken, die Stimmung ist also früh fröhlich. Alles sehr sehr angenehm.

Getrunken und in Maßen gefeiert wird hier auch © Till

Und ist das jetzt geil?

Kurzum: JA! Der 2-Minuten-Festivalweg, die Bier-Hängematten-Sauna-Verwöhnung, die aufgeschlossenen Leute und das wohnliche, saubere Familien-Feeling sorgen für ein extrem entspanntes Gefühl, welches Festival und Ferien verbindet. Eigentlich zwei Dinge, die so oder so verbunden sein müssten. Die meisten Festivalgänger wissen aber, dass bei intensiven und vollen fünf Tagen ein bisschen Ruhe abseits der saufenden Müllhalde (aka Regular Camping) gut tut. Deswegen: volle Empfehlung!

Caro und Emilie vom Dour Festival im Interview in der Chileout-Area © Siana

Wie geht’s die nächsten Jahre weiter?

Caro und Emilie legen sich fest, dass es weiter geht, aber das Areal auf keinen Fall vergrößert werden soll – und das ist die einzig konsequente und richtige Entscheidung. Die Besucher schätzen die familiäre Stimmung und freuen sich, den immer gleichen Leuten wieder über den Weg zu laufen. Etwas, was schon auf einem doppelt so großen Gelände nicht mehr funktionieren würde. Um der vermutlich steigenden Nachfrage entgegenzukommen, haben die beiden Verantwortlichen eine andere Idee: Neben dem Comfort Camping, dem Green Camping und dem von Bungalows und Tipis gefüllten The Village sollen weitere kleine Camping-Zonen mit einem bestimmten Motto entstehen. Eine schöne Zukunftsvision, die bei einem ähnlich fairen Angebot und einem ansatzweise so sympathischen Publikum, nur funktionieren kann – und auch auf deutschen Festivals aufgegriffen werden sollte.

Hier könnt ihr mehr über die Nachhaltigkeitsaktionen des Dour Festivals erfahren.
Foto-Credits: Siana & Till

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