July Talk – Pray for it (Album)

Es gibt immer mal kleine Fetzen, die ich so schön finde, dass ich sie mir nach Interviews jahrelang merke. So zum Beispiel im sehr tollen Gespräch mit Joe Haege (damals White Wine), der folgendes Bild aufmalte: Für ihn gibt es zwei Arten Musik. Einmal solche, die Café-Mitarbeiter*innen in ihrem Café auflegen, während es offen hat und Kund*innen dort verweilen. Und die Musik, die sie anschmeißen, wenn der Laden dichtgemacht hat und es im Feierabendmodus ans Aufräumen geht. Großartig, oder? Er selber würde immer lieber letztere Art Musik machen, was ich nachvollziehen kann, obwohl ich auch der Meinung bin, es gibt gute oder sogar fantastische Hintergrundmusik. Vor kurzem musste ich wieder an dieses schöne Bild denken, und zwar beim Hören des neuen July-Talk-Albums. Kurze Einordnung: Die kanadischen Indie-Überflieger sind für mich eine der spannendsten Gitarrenbands, großartige Schwarz-Weiß-Vermarktung, welche den musikalischen Kontrast zwischen kratzenden Gitarren, der Krümelmonster-Stimme von Sänger Peter und dem zuckrig-poppigen Gegenpart von Sängerin Leah perfekt inszeniert. Dazu actiongeladene Liveshows voller Theatralik und ordentlich Wumms. Trotz insgesamt massentauglicher Melodien würde ich die Band eindeutig der zweiten Art Musik zuordnen, die Tag-fast-vorbei-gib-mir-Power-Fraktion, schließlich stoßen sich immer wieder Menschen an der reibenden Stimme und den polternden Rhythmen. Wieso ich das erzähle? Weil July Talk jetzt gewissermaßen die Seite wechselt. Ihr drittes Album dreht Drive und Tempo raus und widmet sich eher dem Dream-Pop. Alles gut, musikalische Entwicklung soll und muss sein, mich stimmt es trotzdem ein wenig traurig, weil es derartige Bands schon zu Genüge gibt und die Kanadier*innen dadurch an Einzigartigkeit einbüßen. Dafür können sie nun auch tagsüber zu einem Cappucino mitsamt Carrot Cake laufen, z.B. haben das Songs wie „Pretender“ schon verdient. Insgesamt bleibe ich aber bei den krachenden ersten beiden Platten.

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