Ja, auch hier muss der PJ-Harvey-Vergleich sein. Dabei steckt hinter der Neu-Berlinerin Laura Carbone sehr viel mehr. Zur Veröffentlichung ihres abwechslungsreichen Highlight-Albums „Empty sea“ stellt that new music blog die Musikerin ausführlich war. Im Interview erzählt Laura außerdem von den Arbeiten zu „Empty sea“ und ihrer Band.
Gut getroffen:
Musikstil – das sagt die Künstlerin:
Laura Carbone gibt sich hier ganz allgemein: „Alternative“ lässt sie auf ihrer Facebookseite verlauten.
So klingt Laura Carbone wirklich:
Wie es so häufig bei Solo-Künstlerinnen im Rock-Bereich der Fall ist, muss zunächst mal die allseits verehrte PJ Harvey als Referenz herhalten. Laura Carbone geht mit ihrer Gitarre ähnlich um, kann mit ordentlich Verzerrung abrocken („Crisis“) und dann im nächsten Moment wie die elfenhaftige Engländerin wieder mysteriös klingen. Mal erscheint sie dann wie eine zeitgenössische Version von Patti Smith („Nightride“), anderswo klingen Band-Outfits wie Wolf Alice, The Kills oder Warpaint an. Überraschend viele Parallelen gibt es zu der Waliserin Bryde, deren gerade vor zwei Monaten veröffentlichtes Debüt „Like an island“ sich im Plattenschrank direkt neben Laura Carbone stellen kann.
Mitglieder:
Wie es der Name und der vorige Absatz schon vorwegnehmen, ist Laura Carbone in erster Linie als Solo-Künstlerin unterwegs. Die junge Musikern kommt übrigens aus dem Autobahnkreuz-Städtchen Sinsheim und wird des knallenden Sounds wegen auf der Bühne von drei charmanten Herren begleitet.
Besonderheit:
Die Hitdichte! Selten fällt es so schwer wie bei Laura Carbone, den EINEN großen Song herauszupicken – und das nicht etwa, weil der Katalog keine Hits hergibt. Im folgenden Abschnitt „Zentraler Track“ das fantastisch flowende „Tangerine tree“ oder den federleichten Schlusstrack „Lullaby“ nicht hervorzuheben, ist nahezu fahrlässig. Und dann sind da ja noch das bittersüße „Grace“ sowie das beißende Overdrive-Monster „Cellophane skin“.
Aktuelles Werk:
Nach einem langatmigen Prozess konnte Laura Carbone am 1. Juni endlich ihr zweites Album veröffentlichen. „Empty sea“ ist auf unterschiedlichen Kontinenten entstanden (sieht Interview unten) und erweist sich als Spiegelbild der beeindruckenden Vielfalt des Outputs der jungen Dame. Schon die ersten drei Tracks leben in den unterschiedlichsten Dynamik- und Soundwelten. Das von Schrammel-Gitarre und Bass getriebene „Grace“ lässt nicht nur wegen des Songtitels die Melancholie eines Jeff Buckleys aufblitzen, bevor „Cellophane skin“ die Regler am Verstärker an den Anschlag dreht. Das Fuzz-Feuerwerk wird schließlich vom schunkelnden Titeltrack, der ganz ohne Percussion auskommt, gekontert. Sechs weitere Stücke und insgesamt knapp 35 Minuten später hat „Empty sea“ eine bewundernswerte Reise durch die verschiedensten Landschaften der Gitarrenmusik gemacht – und dabei stets das Beste vom Besten abgeliefert. Eine magische Platte!
Zentraler Song:
Wie gesagt, eine äußerst schwierige Geschichte. Wenn man hier den Song auswählt, der am ehesten die verschiedenen Elemente von Laura vereint, dann muss die Wahl auf das mächtige „Old leaves shiver“ fallen. Das düstere Finger-Picking-Riff lässt zu Beginn noch eine Power-Ballade erwarten, ehe massive Drums und Sechs-Saiter dem Track einen Grunge-Überguss verpassen. Einige intensive Dynamikwechsel später läutet ein Gitarren-Zwischenspiel den episch-düsteren Schlussteil rein. Hier wird die Schönheit von fiependen Feedbacks in den Hintergrund gespielt. Herr, lass Gänsehaut und Herzen regnen!
Gut gesagt:
„We’re two birds with one stone and no little bit of pride“
Aus dem etwas älteren, leicht elektronisch angehauchten „Stigmatized“
Fun-Fact:
Vor ihrem Schaffen als Solo-Künstlerin war Laura Carbone Hälfte des chaotischen Elektro-Punk-Duos Deine Jugend, welches unter anderem Tracks wie „Mama geht jetzt steil“ hervorbrachte. Gewöhnungsbedürftig! Zumindest von der Autorenseite ist der Switch zur Solo-Karriere sehr gern gesehen.
Das sagen die Zyniker:
Wenn hier noch einmal jemand PJ Harvey sagt, dann…
Passend zu:
Ein Chamäleon, diese Platte. Während sich das Gesamtwerk gut am späten Nachmittag, nach geschaffter Arbeit mit geöffnetem Bier hören lässt, werden sich bestimmte Einzelfracks in den Roadtrip- oder Melancholie-Wiedergablisten dieser Welt festsetzen – und von dort direkt ins Herz einbrennen.
Drei Fragen an Laura Carbone
1) Ich finde deine zwei Platte „Empty sea“ hat schon einen durchaus anderen Sound als noch „Sirens“. Was hat sich deiner Meinung nach musikalisch verändert?
Für Empty Sea war es mir wichtig, die Songs so roh und unbearbeitet wie möglich von meinem Kopf nach außen zu transportieren. Als ich das Album geschrieben habe war ich alleine, fast isoliert und habe nicht über „richtig oder falsch“, Songlängen, -strukturen oder ähnliches nachgedacht. Ich wollte, dass es im ersten Schritt fließt und dann festgehalten ist.
Beim Recording wollte ich vor den Amps stehen können, die Sounds direkt hören und die Lautstärke fühlen die aus den Boxen und den Händen meiner Musiker kam. Für mich stand an oberster Stelle die Ehrlichkeit, sodass nichts programmiert, überkomprimiert oder durch Plug-Ins plastisch geschönt wird. Ich war auf der Suche nach Ear-Candy und Natürlichkeit.
2) Wie hast du deine drei lieben Kollegen, die dich auf der Bühne begleiten, getroffen und ausgewählt?
Ende des Sommers ging ich für 3 Monate nach Berlin, mit einem fast fertigem Album, und einer gebuchten zwei Wochen Tour mit INVSN. Es war klar, dass ich mir eine neue Besetzung suchen musste, die mich direkt auf Tour begleitet und hab dies über Facebook gemacht. Mein Bassist Brodie White aus Neuseeland wurde von einem gemeinsamen Bekannten unter meinem Posting verlinkt. Ich kannte seine Band „Sun and the Wolf“, die ich erst im Frühjahr in Austin bei SXSW live gesehen hatte und sehr mochte. Jeff Collier, mein Drummer aus Alabama, schrieb mir eine ewig lange Email, warum er gerne mit mir touren und arbeiten würde. Ich fand das sehr beeindruckend, in diesem unverbindlichen und changen reichen Berlin, dass sich jemand hinsetzt und eine sachliche, unübertriebene und aufrichtige Email schreiben kann und wollte ihn direkt spielen hören. Mein Gitarrist Mark Lewis aus New York ist seit kurzem dabei – für ihn war Toronto die erste Show – ich hoffe er kann sich bald an das Reisen im Tourbus statt Flieger gewöhnen. Er wurde mit von unserem gemeinsamen Freund Kip Berman empfohlen, mit dessen Band The Pains of Being Pure at Heart ich erst im Februar auf Tour war. Alle wohnen in Berlin und wir sind fast Nachbarn.
Ich bin sehr dankbar von drei so talentierten, aufrichtigen und liebenswerten Menschen flankiert zu sein und mit genau diesen das und alles weitere erleben zu dürfen.
3) Du hast „Emtpy sea“ ein bisschen in L.A. geschrieben, die Platte in deiner „Heimat“ Mannheim aufgenommen und lebst aber in Berlin. Was geben dir die einzelnen Städte menschlich und musikalisch?
Interessant, dass du Heimat ansprichst, denn wie ich gelernt habe, verschiebt sich auch das und wandert dann zurück zum Ursprung. Meine Heimat ist bei meinen Eltern auf dem Land in einem kleinen Dorf mit meinem eigenen Kinderzimmer. Ich wurde in Mannheim erwachsen, habe von dort aus die Welt gesehen und war fest verwurzelt. Dort habe ich auch angefangen „Empty Sea“ zu schreiben – es war so schwer dieses Werk wirklich zu starten, und Mannheim war damals so kalt und trist, sodass die wenigen Menschen, die mich durch diese Phase gestützt haben für immer essentielle Anker bleiben werden – und somit auch der musikalische Ursprung. Auch hätte ich es mir nicht vorstellen können irgendwoanders als im RAMA Studio aufzunehmen. Ein Studio, dass ich schon immer für seine rohe Direktheit, die analoge Soundästhetik und wegen dem Live-feeling der Aufnahmen geschätzt habe. Christian Bethge war eins der vielen Geschenke des Himmels – sein Recording und Verständnis kreierten den Sound von dem ich lange geträumt habe.
Während meiner Zeit in LA war meine Sicht weichgezeichnet, alles in Pastel und unendlichem Sonnenschein. 9 Stunden Zeitverschiebung, weg von Druck, Alltag und Gewohnheiten sodass ich die Freiheit hatte, mich selbst einmal kennenzulernen. Es war eine Art „freie Isolation“, die mich direkt in der ersten Nacht überrannte und mir am Ende des Trips die Gewissheit gab einen gewissen Teil des Prozesses abgeschlossen zu haben.
Dem Umzug nach Berlin hatte ich jahrelang erfolgreich getrotzt – im Sommer bin ich eingeknickt, brauchte auch einen Tapetenwechsel, den ich vorerst nur drei Monate geplant hatte, ehe ich zurück nach Mannheim gehen wollte. Dann ist Berlin passiert, ich bin meiner Band begegnet und habe zugelassen, dass die Stadt auf mich wirken darf und habe ein zu Hause gefunden.
Ich habe gelernt, dass neue Einflüsse, die Natur, Zeitzonen, sogar Menschen essentiell für mein Schaffen sind. Ich brauche die Diversität, den Input und Reize um inspiriert zu sein, um schreiben zu können, aber auch die Isolation, um bei mir zu sein.
Ich bin gespannt, welche Einflüsse als nächstes kommen und weiß, dass ich dafür nicht unbedingt 9 Stunden Zeitunterschied brauche, sondern dies auch in meiner Heimat finden kann
Bereit? Dann könnt ihr euch hier die ganze neue Scheibe anhören und sie euch auf Bandcamp zulegen.
Ist wirklich ein ziemlich cooles Album (wobei das Debüt für mich noch ein paar Hits mehr hatte) – der neue Sound passt irgendwie auch perfekt zu ihrem Auftritt als Opening Act bei den Jesus & Mary Chain-Konzerten letztes Jahr.
Und übrigens auch ein cooler Blog :-), hab ihn jetzt erst entdeckt.
Moin Peter ! Vielen Dank für die lieben Worte. Da muss ich mir das Debütalbum wohl noch mal ein wenig intensiver geben – vom Sound her ist „Empty Sea“ aber eher meins. Ich gucke auch mal bei dir vorbei. 😉 Liebstes, Till