Für Bands wie Lirr wurde der Begriff Genre-Mischmasch erfunden. Der Flensburger Neuzugang beim Grand Hotel Van Cleef macht zunächst mal (Post-)Hardcore, mischt dem ganzen dann aber Elemente aus dem Soul, RnB, Electro und Pop unter. Nach der etwas straighteren EP „Rituals“ hat das Quintett jenen Mix im September auf ihrem Debütalbum „god’s on our side; welcome to the jungle“ verewigt – definitiv eines der spannendsten Frühwerke des Jahres. Auf der der ersten Headline-Tour stellen sich gleich mehrere Fragen. Wie gelingen die Dynamikwechsel? Und was ist überhaupt für ein Publikum da? So sah es in Leipzig aus.
Venue:
Das wunderschöne 4rooms ist an jenem Donnerstag Abend Schauplatz für Lirr und den Support-Act Krawehl. Eigentlich eine Veranstaltung des geschätzten Werk 2 findet die Show im Hardcore-affinen Schuppen im Leipziger Osten statt. Im Nebenraum wird in traumhafter Atmosphäre Bier getrunken – zu schade, dass die Venue bald vor einer Schließung steht.
Support:
Punkt 21 Uhr beginnen Krawehl aus Bielefeld und geben dem Abend gleich eine eindeutige Richtung. Ziemlich gut abgemischt ballert sich das Quartett durch klassischen, aber sehr wirksamen Post-Hardcore. Die Gitarrenläufe stimmen, sodass Krawehls 45-Minuten-Set für Freude bei Band und Publikum sorgt. Nach der Show gehen auch einige LPs über die Theke.
Umbaupause:
Nach der Supportshow geht sie los – und sie dauert. Die fünf Jungs zeigen ihre Ambition und vergrößern aufgrund ihrer Keyboards, Sample-Maschinen und Standtoms die Bühne um 100%. Geht zum Glück bei der 10cm hohen Bühne problemlos. Anschließend testen die Flensburger ausführlich ihren ausgetüftelten Sound und erklären dem geduldig wartenden Publikum, dass sie aufgrund Stau erst spät ankamen und auf den Soundcheck verzichten mussten. Kein Problem; nach über einer Stunde Biertrinken nebenan ist der Konzertraum dann auch deftig gefüllt und Lirr stürzen sich um 23 Uhr mit fast idealem Sound ins Vergnügen.
Dramaturgie:
„Hallo, wir sind Lirr und wir haben ein Album gemacht. Das spielen wir.“ So eröffnet Sänger Leif die Show und lässt damit wenig Zweifel. Es folgt aber nicht der Album-Opener sondern die ersten Klänge von „jungle pt. I“, selbstverständlich gefolgt von „jungle pt. II“. Die Fuzz-Gitarren brettern verdammt laut aus den Speakern, trotzdem geht kein Detail unter. Mit den zwei Teilen von „sour“ wird das noch klarer. Lirr verstehen ihr Handwerk absolut, spielen zeitweise auf vier Gitarren (eine davon mit Bassklan) und tappen dann wieder auf ihren Samplern rum. So spielen die Flensburger das gesamte Album durch, stellen hinten den Opener an, um dann mit drei mitreißenden Songs der grandiosen „Rituals EP“ zu vollenden.
SpecialFX:
Viel Lichtshow gibt es wie erwartet nicht. Lirr lassen die Musik im Vordergrund stehen, geben auch nicht wirklich Ansagen außer „Uns wurde gesagt, wir müssen bessere Ansagen machen“ und netten Danksagungen. Dafür zappeln die fünf Jungs in ihrem kleinen Umfeld ordentlich rum, fühlen die Musik und wirken dabei kein bisschen aufgesetzt.
Publikum:
Es ist ein Hardcore-Publikum. Zwar machen zwei, drei Leute Pics für ihre Instagram-Story (der Autor vielleicht auch), ansonsten unterscheiden sich die anwesenden Personen nicht großartig von Bands, die auf die Soul-Pop-Spielereichen verzichten. Will heißen: Es wird aufmerksam zugehört, mitgenickt und generell sehr intensiv auf die Musik reagiert. Schön.
Moment des Abends:
Das schon auf dem Album überzeugende „grow“ bietet auch live ein ziemliches Highlight. Die elektronischen Sample-Drums werden ideal von analogen Becken ergänzt und die nicht leichte Dynamik wird großartig umgesetzt.
Und sonst so?
Lirr wirken wahnsinnig gut eingespielt, aber auch ein wenig in sich gekehrt. Die Jungs treten als Kollektiv auf, drehen sich häufig in Richtung Schlagzeug oder drehen an den vielen Effektgeräten. Dafür ballert der Sound beißend aus den Boxen und ist sehr intensiv. Die hohen Ambitionen werden vollkommen überzeugend umgesetzt.
Gut getroffen:
Gönnt euch die restlichen Tourdaten:
06.10. Freiburg, White Rabbit
07.10. Marburg, Trauma im G-Werk
08.10. Münster, Baracke
11.10. Köln, Tsunami
12.10. Berlin, Badehaus
13.10. Jena, Baracke
14.10. Darmstadt, Oetinger Villa