From Leipzig to NYC. Lola Marsh sind gerade schwer beschäftigt. Nachdem die israelische Indie-Folk-Band bereits in den letzten Jahren die Bühnen Deutschlands erkundet hat, hat das Duo – bestehend aus Yael und Gil – nun ein schönes Debütalbum namens „Remember roses“ im Gepäck. Mit diesem haben die beiden ihren ursprünglichen Folk-Sound perfektioniert und derart ausgeweitet, dass sie bei ihrem Leipziger Auftritt im Rahmen der Jüdischen Woche von drei Freunden komplettiert werden. Was so bei den vier Boys und Yael – die gesanglich stark an Lana Del Rey erinnert – am 19. Juni so ging? Ihr erfahrt es hier.
Erste Gedanken:
Kennt hier jemand diesen komischen Kino-am-Tag-Effekt? Wenn man nachmittags einen Horrorfilm schaut, danach vollkommen entsetzt ins grelle Tageslicht zurückkehrt und sich wie ein Vampir fühlt? Ähnliches lässt sich an diesem Abend in Konzertform in Leipzig erahnen. So strahlt der wunderbare Innenhof des Werk 2 kurz vor Beginn noch im schönsten Sonnenlicht. Zwei Tage vor dem längsten Tag des Jahres muss man nur 20:15 + kein Support-Act + ein einziges Album zusammenrechnen und erhält eigentlich das Ergebnis, dass Lola Marsh ihr After-Show-Bier im Hellen trinken dürfen. Oder auch nicht: Drinnen in der charmanten Halle D ist es nämlich fies düster.
Publikum:
Kirche mal andersrum. Während sich in Bühnennähe ein gemischtes, aber junges Publikum tummelt, haben sich zwei Dutzend Senioren Stühle organisiert und sitzen etwas verloren im hinteren Teil der Halle. Später erklärt sich jene bunte Mischung von selbst – am Anfang ist dieses Aufeinandertreffen aber herrlich sonderbar. Achja, ein paar AMK-Girls (Lola Marsh spielte in der Vergangenheit als Support-Act für die Kölner Überflieger) sind auch am Start – und fangen zurecht schnell an zu tanzen.
SpecialFX:
Lola Marsh wollen, dass sich ihr Publikum wohlfühlt. So verzichtet die Indie-Folk-Kapelle fast komplett auf eine außergewöhnliche Lichtshow, taucht aber dafür die gesamte Bühne in ein Meer voller Blumen. Im Gegensatz zu den Killers, die diese Idee vor knapp zehn Jahren ausprobierten, funktioniert dieser Ansatz nicht nur in Anbetracht des Albumtitels „Remember roses“ bei Lola Marsh sehr gut.
Dramaturgie:
Die israelische Band entscheidet sich für die Langsamer-Beginn-und-intensiver-Schluss-Strategie. Den Start macht der sehr ruhige EP-Opener „Days to come“, ehe mit „Saturday emotions“ und „Strange“ weitere schnuckelige, unaufgeregte Tracks folgen. Doch sobald man sich auf das stetige Aufbauen der Dynamik vorbereitet hat, hauen Lola Marsh überraschend früh ihren Upbeat-Hit „Wishing girl“ raus, gefolgt vom bekannten „You’re mine“. In der zweiten Hälfte wird das Set immer epischer mit dem äußerst elektronisch vorgetragenen „Morning bells“ und dem tollen Titeltrack „Remember roses“.
Musikalischer Moment des Abends:
Das Duo „She’s a rainbow“ und „Bluebird“, welches bereits auf dem Album das Highlight bildet, überzeugt auch live auf voller Linie. Im Instrumental-Outro von ersterem zerschreddert Gil nahezu seine Gitarre. Das ist genau die Intensität, die vielleicht zu Beginn des Sets ein wenig gefehlt hatte. Hier aber nur Gänsehaut!
Und die Band?
Ist äußerst sympathisch. Lola Marsh machen sich über nicht richtig gestimmte Ukulelen selber lustig, verhauen zwar hier und da mal einen Einsatz und klingen trotzdem verdammt gut – vor allem in Anbetracht der doch gut heiseren Sängerin Yael, die trotz Krankheit eine beeindruckende Performance abliefert, aber auch vom Effektboard ein wenig Hilfe bekommt. Ihrer Freude versteckt die charmante Israelin auch wahrlich nicht, lobt aber dafür vielleicht das Publikum teilweise etwas übermäßig. Dabei ist es für Lola Marsh tatsächlich ein besonderer Abend. Gils jüdische und in Leipzig wohnenden Großmutter ist nämlich Teil der anfangs angesprochenen Senioren, die sich während des Konzerts sogar zum verhaltenen Tanz trauen. Sie wird mit großem Applaus vom Publikum begrüßt. Schöne Geste und tatsächlich auch ein wenig berührend.
Awkward moment:
Kurz vor Beginn des Konzerts hat der stets umtriebene Roadie noch die Zeit für eine äußerst bizarre Aufgabe: Die Etiketten der Wasserflaschen abfummeln. Ist ja so auch viel schöner. Vielleicht war jene außergewöhnliche Aktion aber auch nur für das im großen Rahmen anwesende, öffentlich-rechtliche Fernsehen, welches das halbe Konzert aufnahm. Blöd nur, dass der liebe Kollege dafür etwas anderes vergessen hat. Zu Beginn der Show fehlt auf der Bühne ein Gitarrenplektrum. Kann passieren. Lola Marsh überspielen dies nahezu unbemerkt und charmant.
So sah das Ganze übrigens im Fernsehen aus:
Und sonst so?
Lola Marsh schaffen das fast Undenkbare. Nach einer schönen, geplanten Zugabe inklusive Hinsetzen während „In good times“ und dem energischen Abschluss „Hometown“ kommt das Quintett sogar noch ein weiteres Mal auf die Bühne und landet somit schließlich bei fast 90 Minuten Show. Eine mehr als reife Leistung für eine Band mit nur einem Album. Und so wird das anwesende Publikum um kurz vor zehn glücklich in die Leipziger Dämmerung entlassen. Wie im Film.
Gut getroffen: