Mando Diao live in Wiesbaden | Konzertbericht

Konzertbericht Mando Diao live im Wiesbadener Schlachthof | Mando Diao haben ihre Schaffens- und Personalkrise zur Seite gelegt und nun schon mit dem zweiten Album in neuer Besetzung auf Tour. Gemischte Gefühle im Wiesbadener Schlachthof.

Anlass:

Mando Diao nochmal live sehen? Nach dem Weirdo-Desaster „Aelita“ und dem Ausstieg von Rampensau Gustaf lange Zeit kaum vorstellbar. Doch nach der Schaffens- und Personalkrise rafften sich die Verbliebenen rund um den nicht weniger markanten Sänger Björn Dixgard auf und ließen es wieder krachen. Auf das solide „Good times“ folgte sogar noch eine weitere Scheibe – mit dem soulig angehauchten „Bang“ geht es wie zu guten alten Zeiten auf mittelgroße Deutschlandtour.

Venue:

Der Beweis, das Mando Diao auch zehn Jahre nach ihrem Überhit „Dance with somebody“ und fast 15 Jahre nach dem großartigen „Ode to Ochrasy“ immer noch ziehen, thront seit Monaten von der Schlachti-Website: Die Show ist restlos ausverkauft – eben mal so die Halle vollgemacht. Dazu Samstag Abend, gute Stimmung also vorprogrammiert.

Publikum:

Als überpolemischer Kommentar könnte hier nun stehen: „Wiesbaden ist heute Spießbaden!“ Ist natürlich totaler Quatsch, weil bei einer derartigen Show mal mindestens die Hälfte der gut 2.000 Besucher aus dem Umland oder der weiteren Region kommt – das zeigen auch die wild durchmischten Autokennzeichen auf dem Parkplatz. Stimmungstechnisch ist die Aussage vor allem zu Beginn treffend: Viel geht nicht in der Halle während der ersten paar Songs, die das Quintett darbietet. Liegt es am Alter? Ein Mal kurz zurückgerechnet: Wer sich damals „Hurricane bar“ zu Release mit 25 Jahren kaufte, ist jetzt schon im besten Elternalter. Vielleicht kennen die Kollegen nur den neuen Stuff nicht? Pustekuchen, auch bei „All my senses“ und „Long before rock’n’roll“ will der berühmte Funke nicht so richtig über den Bühnengraben springen. Besser funktionieren da schon All-Time-Hit „Down in the past“ und die üblichen Favoriten von „Give me fire“.

Dramaturgie:

Eben jene „Gloria“ und „Dance with somebody“ kommen zum Abschluss der etwa 100 Minuten, an deren anderem Ende (aka Anfang) ein brandneues Triple steht. „I was blind“ ist eigentlich ein cooler Opener und stampft mit seiner Blues-Ader wütend durch die Schlachthof-Halle. Komisch fällt hingegen die Wahl des zweiten Tracks aus: Das auf dem Album saugut funktionierende „Society“ zögert den Ausbruch derart lange heraus, dass er gar nicht mehr passiert. Im weiteren Verlauf wechseln sich Alt und Neu regelmäßig ab. Aufmerksamkeit haben das frühe Hit-Doppel aus „Down in the past“ und „Long before rock’n’roll“ verdient, sowie ein akustisch vorgetragener Teil inklusive „Ringing bells“ und einer tollen Version von „The band“. Von den neueren Songs überzeugen das fetzige „Bang your head“ (Cowbell-Party) und der heimliche Hit „Don’t tell me“.

SpecialFX:

In erster Linie drücken Mando Diao fett auf die Nebelmaschine und tauchen die Bühne mit verschiedenen Lichtelementen in immer unterschiedliche Stimmungen. Häufig kommen dabei stimmungsvolle Bilder und Momente zustande. Die fünf Herren stehen dabei adrett schwarz gekleidet im Nebel – einzig der immer noch eher neue Gitarrist Jens hat sich für die Rockstar-Posen in etwas Trenchcoat-ähnliches geworfen. Musikalisch kann den fünf gestandenen Musikern wenig vorgeworfen werfen: Björns Stimme kratzt gut und vor allem die neuen Songs werden damit gut vertont. Einzig die Klassiker versprühen längst nicht alle den Charme der alten Tage. Woran es liegt, schwierig auszumachen. Auffallend ist das andere Gitarrenspiel von Jens, der sämtliche Solo-Parts mit einem weitaus fetteren Sound versieht und sich somit vom spritzigen Indie-Sound der alten Tage abwendet. Manchmal komisch, an anderer Stelle überzeugt das Gitarrenspiel dafür sehr – wie in der abgeänderten Strophe von „Shake“.

Moment des Abends:

Schön, dass Mando Diao trotzdem in der Liederkiste wühlen und neben der Obvious-Auswahl auch einige vergessene Tracks auspacken. Spät im Set verzückt so der Ochrasy-Albumtrack „Amsterdam“. Schon länger nicht mehr gehört und hier überraschend auf dem Silbertablett serviert – wunderschön. (andere unterschätze Mando-Diao-Songs findet ihr übrigens hier)

Und sonst so?

Viel bleibt leider steril, wobei hier mehrere Faktoren zusammenspielen. Die Band, die einfach ihren Sound über die Jahre geändert hat. Die große Halle. Das träge Publikum. Einer dieser Punkte reicht dann im Moment auch manchmal schon, um die ganz große Euphorie zu drücken. Bestes Beispiel: Mr. Moon. Ein fantastischer Song, cool vorgetragen – natürlich sanft, aber das passt hier perfekt – und gefühlt spielen Mando Diao gegen eine leere Wand. Kaum zu glauben, wie dieser großartige Track nicht gewürdigt wird. Aber: Immer wieder schön, ihn live zu hören.

Gut getroffen:

Fotos by Siana <3

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