Konzertbericht zu Metric in Frankfurt | Fanboy-Alert! Die kanadischen Indie-Helden haben es mal wieder über den Ozean geschafft und spielen Shows in Europa. Zu Release ihres siebten Albums „Art of doubt“ stellen Emily Haines im Frankfurter Gibson live ihre neuen, rockigen Songs und alte Hits vor. Wie immer toll.
Anlass:
Es ist mal wieder Zeit. Während Metric in Kanada und den USA eigentlich dauerhaft auf Tour unterwegs sind (gerade erst als Support-Act für The Smashing Pumpkins) ist Europa alle drei Jahre an der Reihe. Ungefähr immer, wenn es eine neue Platte gibt. Auch der September-Release von „Art of doubt“ (hier in der Video-Review) führt die Kanadier wieder nach Good Ol‘ Europe. Ihr letztes Deutschland-Konzert geben Emily, Jimmy und Co. im Frankfurter Gibson – und versprechen dabei nach der sehr Show-intensiven „Pagans in Vegas Tour“ wieder zu rocken.
Venue:
Was habe ich nicht für furchtbare Dinge über das viel gescholtene Gibson auf der Frankfurter Zeil gehört. Die 3,3 Google-Sterne sprechen da wohl ihr Übriges. Wenn es aber nicht ums Feiern geht, ist zumindest der Raum an sich sehr positiv. Schickes Industrie-Design, verschiedene Sichtlevel und generell eine angenehme, wenngleich etwas kühle Atmosphäre. 1,50€ an der Garderobe gehen auch – über das angebotene Bier und dessen Preis sei mal ein riesiger Äppelwoi-Mantel des Schweigens gelegt.
Publikum:
Die Bude ist ordentlich voll. Wie zu erwarten ist das Publikum sehr international. Liegt einerseits natürlich an Frankfurt, andererseits auch an Metric die weltweit schon ordentlich populär sind, in Europa aber immer noch eher als Indie-Act gelten. Altersmäßig haben sich in erster Linie 30er bis 40er eingefunden – ein paar graue Haare sind auch dabei, die von Beginn an fröhlich tanzen, dabei aber nie ihren eigenen halben Quadratmeter verlassen. Schön: Es wird nicht nur zu Oldies wie „Black sheep“ sondern auch zu Newbies wie „Holding out“ gehüpft. So soll das.
Dramaturgie:
Zwischendurch lässt Emily anklingen wie schwer es denn sei, mit sieben Alben eine Setlist zu schreiben. Ist so. Metric entscheiden sich für eine einigermaßen konservative Variante und beginnen ihre gut und gerne 100 Minuten Stage-Time mit eher neueren Songs, um am Ende die Klassiker rauslassen zu können. Den Start macht „Youth without youth“ von „Synthetica“, ehe ein ganzer Haufen Stücke von „Art of doubt“ kommt – nur unterbrochen von „Breathing underwater“ und dem bereits angesprochenen „Black sheep“. Besonders überzeugen dabei der bestechend gute Titeltrack sowie die traumhafte Ballade „Seven rules“, die Emilys Stimme in glänzender Schönheit erscheinen lässt. Nach „Now or never now“ ist Schluss mit aktuellen Stücken und das Quartett spielt sich durch die „Fantasies“-Hits „Gimme sympathy“, „Sick muse“ und „Gold guns girls“. „Help I’m alive“ mimt in der Zugabe den krönenden Abschluss. Von den Frühwerken gibt es außerdem die kratzenden „Monster hospital“, „Dead disco“ und tatsächlich „Combat baby“ zu hören. Nur das sehr andere „Grow up and blow away“ wird ausgelassen, wie übrigens auch die vorletzte Platte „Pagans in Vegas“, deren Synthie-Bombast vor drei Jahren noch weit im Vordergrund stand.
SpecialFX:
Auch SpecialFX-mäßig ist die aktuelle Konzertreise eine klare Abkehr von der vorigen Tour. Insbesondere die Lichtshow ist eher sporadisch. Statt Dauer-Blitzlicht wird ein bisschen intensiver in die Instrumente gedrescht und auch Emily – in Pailleten-BH und Lederjacke – verkörpert wieder mehr den Rockstar als den Popstar. Auch wenn durch diesen Paradigmenwechsel die Rockmusik zurück in den Vordergrund gerückt wird, geht ein wenig der Show-Effekt verloren. Der wurde zwar vor drei Jahren von vielen Konzertbesuchern bemängelt, sorgte aber für eine wahnsinnige Intensität, die heute im Gibson lange nicht erreicht wird. Dafür stimmt’s musikalisch mit fiependen Gitarren und krachenden Drums wieder so richtig.
Sound:
Leider aufgrund des doch ungewohnten Raums auch nicht ganz so perfekt, was vermutlich in die Intensität-Geschichte reinspielt. Musikalisch ist die Band hingegen top aufgelegt. Joshua spielt sich durch die tollen Bass-Lines der neuen Platte stärker in den Vordergrund, während Joules hinten bis zur kompletten Hemd-Schwitzung die Trommeln prügelt. Jimmy an der Gitarre lässt die coole Socke raushängen und bringt immer wieder die berüchtigten Live-Gitarren-Soli, die es nicht auf die Platte geschafft haben. Emily gerät nur manchmal leicht in Struggle bei den ganz hohen Tönen („Risk“), und überzeugt sonst mit einer phänomenalen Performance, die ihrer besonderen Stimme alle Ehre erweist. Schwieriger Parts wie der Übergang von Laut in Leise in „Art of doubt“ meistert sie mit ein bisschen Reverb-Hilfe, liefert aber ab. Die verdammt hohe Bridge der ersten Zugabe „Dark saturday“ lässt sie dafür einfach weg. Auch okay. Starke Leistung auf jeden Fall über 100 Minuten.
Ansagen:
Worte verliert die charismatische Frontdame dafür wenig. Ein paar Begrüßungsfloskeln und Ansagen, sonst steht die Musik im Vordergrund. Vor „Seven rules“ grüßt die Kanadierin ihre Frankfurt-Family, vor „Gimme sympathy“ wird implizit gegen die amerikanische Politik gewettert. Schön subtil und niemals störend – kann man so machen mit den Ansagen.
Moment des Abends:
Heute mal ausgeweitet auf „Momente“. Generell ist es schwer vorstellbar, dass bei einer Metric-Show das furiose Live-Finale von „Gold guns girls“ nicht als Highlight gilt. Hier prügelt Jimmy in fantastischer Weise seine Gitarre, ist sich für ein bisschen Shredding nicht zu schade und holt das letzte aus seinem sechs-saitigen Baby raus. Immer wieder Wahnsinn und der einzig sinnvolle Schlusspunkt des regulären Sets. Auch das langgezogene Intro von „Dead disco“, in der das simples Riff deutlich tiefe und Dynamik erlangt, lässt die Armhaare aufstehen. Von den neuen Stücken imponiert insbesondere der mörderische Percussion-Einsatz in „Dressed to suppress“. Wenn hier nach dem ruhigen Part die Drums den Auftakt machen und schließlich ein messerscharfes Bass-Solo ertönt, ist das Zucker!
Und sonst so?
Kennt ihr das, wenn sich Tracks erst live so richtig erschließen? Ging mir so mit der Dancefloor-Single „Now or never now“, die von vielen bei Release richtig abgefeiert wurde, mich aber eher kalt gelassen hatte. Auf der Bühne breitet sich der Song aber wunderbar aus, steigert sich in die Höhe und legt mit jedem Teil einen Zahn zu. Tolles Ding! Und: Trotz den Abstrichen in Punkto Intensität schön zu sehen, dass Emily Haines und ihre Boys wieder richtig rocken!
Gut getroffen:
Zunächst ist die Metric-Tour zumindest in Deutschland vorbei. Es sei gehofft, dass nicht wieder drei Jahre und ein Album bis zur nächsten vergehen muss.