Konzertbericht Moonlight Breakfast live in Wien | Das rumänische Ensemble Moonlight Breakfast fasziniert mit seinem spielerischen Indie-Pop, der hin und wieder mit dem Swing flirtet. Finde ich zumindest. Ob das der unbeeindruckte Gastautor Lorator auch so sieht. Er hat sich Moonlight Breakfast im Wiener Porgy & Bess angeschaut und berichtet.
Die rumänische Indie-Band Moonlight Breakfast lädt ein in einen Jazzkeller in der Wiener Innenstadt Dass heutiger Indie so gediegen sein kann… Bereits im Vorfeld tummeln sich einige Gestalten wohlgekleidet, jenseits der fünfzig. Zum Moonlight Breakfast schwenkt man Weißwein auf Teppich und Parkett. Es droht gefährlich zu werden, die Szenerie schreit gerade nach Akademikerpop, wie sie dort in der Galerie an den Tischchen gustieren und sinnieren.
Weißwein Frühstück im Jazzkeller
Lorator
Zehn Minuten nach offiziellem Konzertbeginn steht eine blonde Frau in der Nähe des Backstagebereichs, anscheinend Christie, die Sängerin der Band und unterhält sich. Ein älterer Herr in Anzug und Anzugschuh, der wenige Schritte von ihr auf seinem Barhocker sitzt, beugt sich vor und wedelt ihr mit seiner Armbanduhr vor dem Gesicht herum. Ist das Wien oder einfach nur die Fanbase? Die Geste scheint jedoch Wirkung zu zeigen und die drei Musiker begeben sich auf die Bühne. Der Schlagzeuger setzt sich Kopfhörer auf, ich ahne Böses.
Gemäß des Mottos: „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“ heißt es heute „Stell dir vor es ist Konzert, aber niemand sieht hin.“ Die Band beginnt zu spielen und das Parkett vor der Bühne ist so glatt und frei wie der Halbmond auf dem Schopfe meiner Nebensitzer; der Haaransatz tuschelt und nippt noch vorsichtig.
Nun knallt Bazooka durch den Raum. Der Schlagzeuger legt ein gutes Grundpattern für den Song. Adita, der auf der Veranstaltungsseite als Keyboarder, Gitarrist und Sampler beschrieben wird, tut wie ihm geheißen und sampelt drauf los. Er verwurschtelt die Schlagzeugbeats des Bazooka mit weiteren elektronischen Rythmen – ein bisschen Melodie gibt er auch noch hinzu.
Der Song „Countdown“ fängt in bester Dancetrack-Manier an. Christie singt durchs Megafon ins Mikrofon. Doch kommt trotz der Verstärkung nicht viel an. Was soll das für ein Megafon sein, dass die Stimme dämpft, statt zu verstärken? Ein schüchternes? Doch ist das nur ein Sinnbild für das gesamte Lied. Mir schießt durch den Kopf: „So nichtssagend, was soll ich dann schreiben?!“ Also vielleicht schoss es mir ohne das Ausrufezeichen durch den Kopf, aber die Frage stellte sich dennoch.
Die Sängerin ruft nach dem Song: „Schön, so viele Freunde eingeladen zu haben.“ Und so wirkt es auch. Die drei haben sichtlich Freude, wie man sie unter Freunden hat, vielleicht haben die drei die Band tatsächlich für eine Geburtstagsparty gegründet, um den lieben Bekannten eine Freude zu machen. Es gibt immer wieder kurze Sequenzen, die zum Tanzen einladen, in denen der Timid Tiger blinzelt. Meist zieht es sich jedoch über einfache Beats, die Gesangsstimme macht es nicht wahnsinnig spannender. Sie legt sich darüber, einfach weil sich das gehört, es fehlt an spannenden Überraschungsmomenten. Den Freunden im Publikum scheint es trotzdem Spaß zu machen.
„Dancemoves“ bringt den überraschenden Wechsel – Bazooka an den Synthie, Adita ans Schlagzeug. Nun könnte man es eher als 80er-Disko mit langsamen Gesängen beschreiben. Die Lieder bilden ein sich wiederholendes Muster ab. Ein vielversprechender Schlagzeugansatz lädt zum Tanzen ein, weitere Schichten türmen sich aber leider nicht auf.
„Play“ bringt endlich ein bisschen Abwechslung und Swing hinein. Das ohnehin gutgelaunte Publikum schwingt dankbar mit – ein paar weitere sitzen außerhalb in der Lounge, wo man im Hellen ist und die Musik nur gedämpft zu hören ist. Der Song ist etwas spannender, auch die Stimme bewegt sich freier und anregender. Es ist sogar eine waschechte Klarinette von Bazooka zu sehen und hören.
Eine weitere Erkenntnis zeichnet sich ab. Wenn die elektronischen, gesampelten Anteile zurückgeschraubt werden, und stattdessen zum echten Instrument, wie Bass und Klarinette, gegriffen wird, kommt mehr Tiefe in die Musik.
„Shake“ ist sehr up-beat und der eigentliche Hit der Band. Er belebt die Masse und auch die Stimme zeigt sich als spannendes Instrument. Nun bin ich mir sicher: echte Instrumente und Bläser korrelieren mit Spaß. Das Reduzierte fördert die Energie, vielleicht weil man am Instrument selbst fühlt, was man der Musik antut, oder eben nicht. Man will sich schließlich nicht langweilen.
„Look up“: ordentlicher Aufbau, endlich mehr Höhen und Tiefen, der Song ist weniger flach als die erste halbe Stunde. Endlich kein Rosamunde-Pilcher-Song mehr, bei dem man eh nach den ersten zehn Sekunden weiß, wie es weiter- und zu Ende gehen wird. Ein Hauch zu viel Happy End.
Auch wenn ich nun mehr in Stimmung bin und ein bisschen zum Tanzen kam, schwillt meine Klangeslust nach jedem Lied innerhalb weniger Sekunden wieder ab.
Es ist kein Wunder, dass sich Moonlight Breakfast in vielen Werbungen platzieren konnten. Kurzfristige gute Laune, ein bisschen Happy Happy und schon bald wieder vergessen. Trotzdem bleibt es irgendwo im Kopf hängen und taucht in unerwarteten Momenten wieder auf.
Insgesamt befinde ich, dass mein Bier mehr Emotionen hat und auch eine nachhaltigere Wirkung in meinem Kopf.
Nach ungefähr einer Stunde stecke ich doch meine Ohrstöpsel indie (hehe) Ohren, die ich in Anbetracht des Publikums nicht für nötig gehalten hätte. Von dieser Belanglosigkeit lasse ich mir nicht die Ohren kaputt machen. Das soll schon Dave Grohl höchstpersönlich tun.
Wieder mal ein guter Einstieg des Schlagzeugs, der hoffen lässt. Doch dann das alte Spiel der ersten halben Stunde. Aus diesen Drumbeats könnte so viel Schönes entstehen, doch das hier… Das Schlimme, man kann nicht mal sagen, dass die Musik schlecht wäre. Weder die Melodien, noch die Stimme, noch das Publikum. Dieses tanzt ganz beschwingt und lacht.
Also, was soll ich schreiben? Normalerweise wenn ich sprachlos, sprich schreiblos bin, hat das einen besonderen Grund. Doch den finde ich hier nicht. Ich bin grundlos unzufrieden. Also beschreibe ich mal den Saal: es gibt eine schöne Bühnenshow bestehend aus runden Leinwänden, auf die Muster und Schatten geworfen werden, über der Bar hängen sieben Leuchten, von denen nur fünf leuchten, Aditas Gitarre hat schwarze Streifen auf hellem Holz und die obere Etage mit den Sitztischchen hat sich in ein Rotlichtmilieu gewandelt.
Was, das Konzert ist schon zu Ende? Da war ich wohl zu lange gedanklich abwesend. Achso, nein doch nicht. Es wird der Song mit dem längsten Songtitel angekündigt und dann doch nicht gespielt. Der „Key“ konnte nicht gefunden werden. Ach, ist das herrlich ironisch, dass ein Song nicht gespielt werden kann, weil die Elektronik nicht mitspielt. Ich vermeine die Klarinette und Gitarre höhnisch von der Bühne lachen zu hören.
Nun, dann wird eben ein anderer Song gespielt, gespickt von den simplen Strukturen des Schlagzeugs, einzelnen Basslines und einer unterhaltsamen Gesangsstimme. Sieh her, in der Einfachheit liegt doch die Schönheit.
Es folgt wiederum ein Song, bei dem Gesangsparts und weitere Klangsamples vom Band gespielt werden. Ich merke keinen Unterschied zu den live aufgeführten Passagen. Kein gutes Führungszeugnis für die Band. Ich beginne mich wieder zu langweilen.
Doch die Zuschauer, wie begeistert sind sie?! Sie tanzen und schwingen, sie lachen und singen. Es ist die Gaudi des Jahres, doch ich scheine nichts davon abzubekommen. Liegt es daran, dass ich hier nicht heimisch bin? Ist wieder der Ausländer schuld?
Nun denn, es sind Europawahlen, lasst uns demokratisch sein. Es war ein grandioses Konzert.
So unterschiedlich können Eindrücke sein! Meine Meinung: Zumindest zuhause kann man sich Moonlight Breakfast gut anhören – egal ob mit oder ohne Weinflasche.