Konzertbericht zu Neonschwarz in Wiesbaden | Mal was anderes wagen, lautete hier die Devise. Und so habe ich mich dazu entschlossen an jenem Freitagabend, der alternativen Hip-Hop-Truppe Neonschwarz bei ihrer Show im Wiesbadener Schlachthof einen Besuch abzustatten. Kleiner Spoiler: hat sich gelohnt.
Anlass:
…ist das dritte Album von Neonschwarz. Im Herbst 2018 hat die Band über das wohlbekannte Audiolith-Album ihre neue Scheibe „Clash“ veröffentlicht und betourt diese in einer zweiten Runde im Frühjahr 2019. Sehr zur Freude der Fans, scheint es – schließlich ist die Show im Schlachthof über einen Monat vorher ausverkauft. Klar, die ganz große Halle ist nicht drin (dort spielt zeitgleich Jan Böhmermann) aber das sowieso viel schönere Kesselhaus platzt aus allen Nähten.
Venue:
Nicht viel los einige Minuten vor Acht im Außenbereich des Kultladens an den Gleisen. Hier trinkt eine punkig angehauchte Gruppe die letzten Dosenbiere und lässt über den mobilen Mini-Ghettoblaster Neonschwarz laufen, ansonsten ist Tote Hose. Mit gutem Grund: Fast alle Konzertbesucher haben sich bereits ins kuschelige Kesselhaus gequetscht und lauschen mit Bierchen in der Hand den Tönen von Support-Act Haszcara, die von ihrer DJane begleitet sanfte Töne ins Mikrofon rappt. Ein kleines Britney-Sample zum Abschluss und die gut gelaunte Menge wird in die Umbaupause entlassen.
Dramaturgie:
Und diese Pause ist insbesondere für einen Rockkonzertgänger extrem kurz. Gerade mal Drinks geholt und wieder nach vorne gekämpft, geht das Licht schon wieder aus. Unterhalb des DJ-Pults thront in schönstem Rot ein geschwungener Neonschwarz-Schriftzug, der dem Quartett den Weg auf die Bühne erleuchtet. Schwupps, da kommen sie. Die drei Mikrofon-Boys-and-Girls Captain Gips, Johnny Mauser, Marie Curry sowie Mixer Spion Y erscheinen und legen mit „N.E.O.N.“ gleich los. Neonschwarz fackeln nicht lange und legen dem Enthusiasmus der Fans zu folgen rasant los. Macht Laune! An vierter Stelle kommt dann auch der erste Track, der mich extra aufhorchen und den Blick über die Setlist huschen lässt. „Atmen“ ist eine schöne Hymne, auch für die nicht besonders Hip-Hop-Affinen. Weiter im Text geht es mit vielen politischen Stücken („5 nach 12“ oder „Unser Haus“), ehe gegen Ende des Sets die Partykracher überwiegen. Mit der Zugabe heizen Neonschwarz nochmal richtig rein und hinterlassen nach gut 90 Minuten ein völlig fertiges Publikum.
SpecialFX:
Nur mit DJ und vollkommen ohne Band brigen Neonschwarz also ihren diversen Hip-Hop auf die Bühne. Eigentlich für mich zumindest mal Grund zu Naserümpfen und Abneigung. Die Truppe macht aber das Beste aus dieser Ausgangsposition. Das geht schon los mit dem perfekten Sound. Der Bass lässt teilweise den Beat durch den Körper fließen und ist wunderbar ausbalaciert, da gleichzeitig die vielen Feinheiten durchklingen. Gleichzeitig wird es aufgrund vieler Action so schnell nicht langweilig. Hier wird mal Schnappes ins Publikum gereicht, dort in Coldplay-Manier Knicklichter geschmissen. Zum großartigen „Fieber“ gräbt der Kollege am Licht hingegen in der Trickkiste und setzt die Band besonders schön in Szene. Vor allem funktioniert die Show mit DJ aber wegen der unermüdlichen Power des Front-Trios, die dank ihrer kabellosen Mikros ständig von A nach B nach C und wieder zurück hopsen und der Crowd mit ihren auch live richtig starken Rap-Parts so richtig einheizen.
Publikum:
Hier merkt man schnell, aus welcher Szene Neonschwarz kommen, wie sie politisch stehen und welches Label ihre Musik in die Welt bringt. Die Crowd unterscheidet sich nur kaum von einem gewöhnlichen Punkrock-Publikum. Tattoos und Piercings im Überdurchschnitt, immer mal wieder „Alerta, alerta“-Rufe und in jedem Sinne ein sehr freundlicher Umgang in alle Richtungen. Viel Bewegung herrscht vom ersten Song an, Richtung Ende wird aus dem Getanze auch mal ein Moshpit. So wird zum Beispiel ein flotter Track wie „Fliegende Fische“ richtig abgefeiert. Ein Kollege übertreibt’s ein wenig, fliegt dabei immer mal wieder auf den Hosenboden – hat aber offensichtlich den Spaß seines Lebens. Im krönenden Abschluss „Die Eskalation“ geht es dann dem ganzen Laden so.
Moment des Abends:
Nicht schlecht, wenn in „Dies das Ananas“ das FCK-AFD-Banner rausgeholt wird und in schönstem Licht über der Bühne thront. Der musikalische Höhepunkt kommt hingegen noch im ersten Konzertdrittel. Das fantastische „2018“ thematisiert den Rechtsruck und andere Probleme der Gesellschaft, all dies in bittersüßer Musik in schnellem Rhythmus. Auch auf der Bühne funktioniert dieses episches Zusammenspiel und lässt die Gänse ein Mal den Körper hochlaufen. Wichtig und wunderschön!
Und sonst so?
Bisschen komisch, dass Neonschwarz Teile ihrer Ansagen und Ansprachen in Richtung Publikum auf der Setlist notiert haben. Insgesamt aber ein toller Abend mit einer sehr gut aufgelegten und sympathischen Band, die nicht nur die deutsche Hip-Hop-Szene auffrischt.
Gut getroffen:
Ein paar Tourdaten gibt es noch, guckt mal, ob ihr noch vorbeischauen könnt!