Eine Tour in Europa ist für eine nicht allzu große amerikanische Band ein absoluter Traum. Verschiedenste Kulturen innerhalb weniger Kilometer, verrauchte Venues, Shows spielen für Verpflegung und Schlafplatz – all das ist neu für NRVS LVRS. Für das extrem sympathische Duo aus San Francisco (hier erfahrt ihr mehr über Bevin und Andrew) steht nach dem geilen Indie-Elektro-Rock-Album „Electric dread“ die erste Europa-Tour an. Wie es zu dieser kam? Das Paar wollte nach seinen vergangenen Flitterwochen so schnell wie möglich wiederkommen. Und tut das nun mit Musik. So war’s in Leipzig.
Venue:
Im Noch Besser Leben auf der Karl-Heine-Straße dürfen laut Homepage keine Punkbands spielen. Umso schöner, dass die sympathische Bar mit Konzertzimmer im Obergeschoss Schauplatz der Show sein darf. Mit Flaschenbier bewaffnet geht es aus der gut gefüllten Bar die Treppe hoch, wo Andrew und Bevin um 21 Uhr noch entspannt soundchecken. Niemand da? Glücklicherweise ist der Geheimtipp aus San Francisco doch irgendwo angekommen. Bis 21:30 kommen sicher an die 30 bis 40 Leute in das schöne Zimmer, welches mit geöffneter Bar und weniger Licht richtig was hermacht.
Rahmenprogramm:
Kein Support-Act, dafür legt iPhone-DJ Andrew eine sattelfeste Pre-Show-Playlist ein. Talking Heads, The Cure, Depeche Mode – den Anwesenden gefällt es. Während angeregt Bier getrunken und viel diskutiert wird (oder anders herum), wird die Stimmung immer feierlicher und entspannter. Wer braucht da schon eine lärmende Vorband?
Dramaturgie:
Um Punkt halb 10 betreten NRVS LVRS ohne viel Getöse die Bühne (natürlich nicht erhöht) und versammeln zu ihrem Intro „Primer Impacto“ die Menge. Darauf folgt allerdings nicht die Reihenfolge der letzten Platte. Zunächst nehmen Andrew und Bevin einen Ausflug in ihre Vergangenheit und bieten mit „Sundowning“ und „The end of the night“ zwei zügige Stücke ihres ersten Albums da. Im Anschluss kommen die groovigen „Castling“ und „Neon black“, ehe im Mittelteil „Erased“ und das direkt folgende „Rich man“ einen dynamischen Höhepunkt bieten. Mit dem verspielten „Silhouettes“ nehmen NRVS LVRS kurz das Tempo raus, um dann im intensiven Schlussteil mit den Singles zu glänzen. Als Zugabe gibt es außerdem das ältere „Cordoba grey“.
Sound:
Das Mischpult hängt im Noch Besser Leben in einem Schrank neben den Musikern und wird deswegen nicht extern bedient. Da bei Andrew und Bevin doch ein Großteil vom Band kommt (Beats und Keyboard-Flächen), ist es doch umso erstaunlicher, dass die beiden ohne Monitorbox spielen (müssen). Obwohl sich Andrew mit Gitarre häufig vor die Bühne bewegt und ein wenig kritisch dreinblickt, ist der Sound weitestgehend sehr gut. Manche Stücke funktionieren dabei von der Beat-Begleitung großartig („Erased“ und „Neon black“), manche ein bisschen weniger gut („Silhouettes“).
SpecialFX:
Was Andrew und Bevin an Live-Musikern zuhause gelassen haben, haben sie an Tretminen und Samplern mitgenommen. Das Gitarreneffektboard besteht aus Dutzenden Reglern und mindestens zehn Geräten. An Bevins Keyboard blinken Pads, mit denen sie die einzelnen Songs startet und ihren Gesang bearbeitet – Andrew steuert außerdem einen analogen Sampler. Hin und wieder wechselt das Paar die jeweilige Position und sorgt dabei für Kabelsalat auf der Bühne. Letztlich gelingt es Andrew und Bevin aber sich immer aus den Schlingen zu befreien und ihrem Bewegungsdrang Platz zu geben. Die charmanten Dance-Moves trösten auch über die nicht vorhandene Lichtshow hinweg.
Publikum:
Junge Leipziger trinken Bier, lauschen der Musik und bewegen sich dazu. Zu Showbeginn stehen die ca. 40 Personen höflich auf, versammeln sich vor der Bühne und beginnen zu tanzen. Irgendwo raucht einer einen Joint, anderswo werden Zigaretten gedreht. Am linken Bühnenrand legt ein Mann in genialem Outfit ziemlich abgefahrene Dance-Moves hin – zur Freude der sichtlich begeisterten Band.
Moment des Abends:
Im Mittelteil überzeugt das fantastische „Erased“ mit einem satten Sound und das anschließende „Rich man“ mit seiner Garage-Rock-Dynamik. Hier kann Andrew kurz ins Mikrofon schreien und bringt damit das Gezappele im Publikum zum Höhepunkt. Auch der Abschluss aus den beiden Singles „Lost to the max“ und „I am almost perfectly awake“ avanciert zum Highlight. Ersteres überzeugt mit seiner intensiven Melodie, während Andrew „Perfectly awake“ dazu nutzt, über die Gitarre zu schrubben und ersetzt damit das Saxophon-Solo.
Und sonst so?
Auch nach der Show mimt Andrew den iPhone-DJ, während NRVS LVRS aufgelockert mit erfreuten Personen aus dem Publikum quatscht. Nach einigen Minuten beschließt der Barkeeper seine Musik zu spielen und sorgt mit Beethoven und Co. für einen großartigen Tapetenwechsel. Hin und wieder werden ein paar Rock’n’Roll-Classics ausgepackt und so klingt der Abend in entspannter, bierseliger Atmosphäre aus.
Gut getroffen:
Hier könnt ihr euch NRVS LVRS in den nächsten Tagen noch angucken:
22.10. Scheune | Dresden (DE)
24.10. Helter Skelter | Hamburg (DE)
25.10. Wildenbruch | Berlin (DE)
28.10. Sparte4 | Saarbrücken (DE)
29.10. Wohnzimmerkonzert | Linz (AT)
30.10. Kabinet MUZ | Brno (CZ)
31.10. Herr Vincent | Villach (AT)
2.11. Lendhafen Cafe | Klagenfurt (AT)
3.11. Tumult | Kremsmünster (AT)
4.11. Zelena Dvorana | Zabok (CRO)