She drew the gun in Bath


Mal wieder eine dieser Bands, die einen Schritt vor dem Eintritt in Großbritanniens berüchtigte Hype-Maschine stehen. Das Liverpooler Quartett She drew the gun hat – nachdem es letztes Jahr die „Emerging Talent Competition“ für das Glastonbury-Festival gewonnen hat – alles mitgemacht: erstes Album, gepusht von BBC Radio 6 Music, die klassischen Showcase-Festivals wie das Reeperbahn-Festivals und gerade erst das SXSW in Austin. She drew the gun werden immer größer; die richtig großen Hallen bleiben ihnen aber noch verschlossen. Ihr Debüt „Memories of another future“ ist aber ein schönes, gefälliges Indie-Rock-Werk mit Frauengesang, das sich zu jeder Zeit gut auflegen lässt. Mal gucken, was da live so geht.

Erste Gedanken:

Wieso spielen She drew the gun in Bath? An dieser Stelle sollten vielleicht ein paar Worte über das schnuckelige Städtchen in Westengland verloren werden. Bath hat unter 100.000 Einwohner, ist dafür aber sehr sehr schön – ein Touristenparadies mit unglaublich hohen Mieten. Kulturell geht nicht viel: Schuld ist der große, alternative Nachbar Bristol, der in 10 Minuten mit dem Zug erreichbar ist und sich verständlicherweise fast alle Konzerte krallt. Nur She drew the gun spielen in Bath UND Bristol. Vor allem verwunderlich, da die England-Tour mit acht Dates nun wirklich nicht lang ausgefallen ist. Anyway, wie der Brite sagen würde. Am Dienstag Abend geht es im Nieselregen ins Komedia in Bath.

Venue:

Das Komedia ist zwar ein Mehrzweckgebäude, in erster Linie aber Bühne für britische Comedians – und eine ziemlich große Bühne dafür. Daher findet die Show von She drew the gun im bedächtigen und äußerst kleinen Art Café statt. Ein schnuckeliges Venue, das preiswertes Bier für Studierende anbietet und dessen Bühne nicht viel höher als ein Geodreieck ist: 14 cm. Viel zu sehen gibt es für die hinteren Reihen also nicht.

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Publikum:

Ein absolutes Bath-Publikum, zumindest zu Beginn des Abends. Wild durchmischt, ohne Konzept, aber irgendwie doch liebenswert. Dem unspektakulären Support-Act Marvin Powell werden die üblichen zwei Meter Sicherheitsabstand geboten, doch vor She drew the gun preschen tatsächlich Menschen in Bühnennähe. Als es dann losgeht, wird sogar ein bisschen geschunkelt. She drew the gun beginnen mit Mid-Tempo-Songs wie „Where I end and you begin“ und dem schönen „Chains“.

Sound:

Erstaunlich gut für einen Raum, der ein wenig zweckentfremdet wurde. Louisas außergewöhnlich schöne Stimme kommt in ruhigen Tracks wie „Pebbles“ wunderbar zur Geltung. Auch Stücke, die von der wechselnden Dynamik leben, wie das schöne „Since you were not mine“ kommen perfekt rüber. Erstaunlich dabei: Das Quartett spielt komplett ohne In-Ear und somit wohl auch ohne Backing-Track. Heißt auf gut deutsch, dass alles live ist. Nicht schlecht.

SpecialFX:

Now that’s a show! Frontfrau Louisa verzichtet auf Plattitüden à la „Nice to be here, Bath!“ und leitet das Konzert mit einem Spoken-Word-Intro ein. Dieses Muster soll sich im Laufe des Konzerts bei verschiedenen Überleitungen noch wiederholen: ein sehr interessantes Konzept. Großer Nachteil: als Nicht-Englisch-Muttersprachler versteht man leider nur einzelne Häppchen. Diese zeigen aber etwas, was beim ersten Hören des Albums so ohne Weiteres nicht bewusst wird: She drew the gun sind eine sehr politische Band – und das zeigen die Liverpooler ausdrücklich mit Visuals, die zur Revolution aufrufen.

Dramaturgie:

Die musikalische Dramaturgie lässt sich am besten anhand der Drumsticks von Schlagzeugerin Sian darlegen. Los geht es mit Mallett-Schlägeln, die zu Beginn intensive Songs im Mid-Tempo begleiten. Im gemächlichen Mittelteil mit Stücken wie „Be mine“ oder „Or so I thought“ kommt dann parallel auch mal der ein oder andere Jazzbesen zum Einsatz, bevor dieser gegen „normale“ Drumsticks eingetauscht wird. Und dann wird auch mal ordentlich gerockt. „If you could see“ wird in einer sehr dynamischen Version gespielt und die neue Single „No hole“ schließt das Konzert mit verzerrtem Gitarrengedröhne ab.

Moment des Abends:

Am meisten Spaß macht eben jenes Abschlussdrittel, allen voran die treibende Single „Pit pony“, die She drew the gun mit einem etwas anderen Sound zeigt. Generell ist es erstaunlich, wie die drei Frauen und der eine Mann auf der Bühne mit den immer gleichen Instrumenten derart unterschiedlich wirkende Songs erzeugen können. Ein weiteres Highlight ist der ebenfalls spät kommende, unveröffentliche Spoken-Word-Track „Rev of mind“, in dem die politische Brisanz ihren Höhepunkt findet.

Und sonst so?

Es ist definitiv erkennbar, dass Sängerin Louisa das A und O von She drew the gun ist und auch die Platte eher Singer-Songwriter-Musik im Bandformat verpackt ist. Das Quartett macht seinen Job musikalisch super. Von Louisas Bandmitgliedern könnte man auf der Bühne aber ein wenig mehr Euphorie erwarten, obwohl auch Louisa diese wenig versprüht (das passt aber wiederum gut zur ernsten, eindringlichen Show). Auch wenn die Dynamik im Sound durchaus spürbar ist, ist diese in den Bewegungen noch ein wenig ausbaubar.

Gut getroffen:

 

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Live-Shows in Deutschland sind derzeit leider nicht geplant. Folgt der Band einfach auf Facebook, um immer auf dem Laufenden zu sein. 
Lust bekommen She drew the gun zu hören? Hier könnt ihr das Debütalbum anhören. Außerdem ist der Track „Since you were not mine“ im dieswöchigen Musikmix zu finden – überall auf dieser Seite anklickbar.

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