Wilde Zeiten für Sløtface. Nachdem die Norweger erst letztes Jahr wegen Social-Media-Issues die Vulgarität aus ihrem Namen gestrichen haben, geht es seit dem Release ihres starken Debüts „Try not to freak out“ im September so richtig rund. Haley Shea und ihre Boys haben das Finale ihrer ersten Riesentournee in Paris gefeiert – und so war’s.
Gut getroffen:
Ausgangslage:
Seit sechs Wochen können Sløtface von sich behaupten, ein Album veröffentlicht zu haben. Sechs lange Wochen ist das Indie-Punk-Quartett außerdem auf Dauertour. In Paris feiern die Vier nach Shows in Deutschland, der norwegischen Heimat und auf der Insel ihren Tourabschluss – das einzige Frankreich-Date. Kein Wunder, scheinen Sløtface doch vor allem in England durch die Decke zu gehen. Fotos von rappelvollen Clubs und leicht bekleideten Bandmitgliedern machen die Runde. Ob mon amour Paris da mithalten kann?
Venue:
Schauplatz ist das schnuckelige La Boule Noire im von Konzertsälen überhäuften Montmartre. Unweit spielt eine asiatische Indie-Pop-Band, die größere La Cigale direkt nebenan bietet kein Konzert. Trotzdem gibt es an einem Freitag Abend in Paris tausend andere Dinge zu tun, weswegen es nur circa hundert Leute in den damit etwa ein-Drittel-vollen Club verschlägt. Immerhin gibt es Frankreich-gerecht Rotwein für drei Euro. Beladen mit schicken Sonic-Youth-Bechern geht es direkt vor zur Bühne. Ist das noch Punkrock? Sicher.
Sound:
Um 21:15 beginnen Sløtface nach einem Support-Set der Franzosen MNNQNS. Nach kurzem Intro erklimmen Hayley und Co. die Bühne und brettern mit dem Album-Opener gleich richtig los. Brettern tut dabei vor allem der Bass, dessen auffällige Melodielinie die Gitarre von Tor-Arne in den Hintergrund drängt. Auch Hayleys Gesang ist zu leise abgemischt und man muss sich zunächst Sorgen machen ob die 50-Tage-Tour Band und Tonmann ein wenig taub gemacht hat. Dem ist aber nicht so, denn ab dem zweiten Track „Pool“ ballern Sløtface einen fantastischen Klang aus den Boxen.
Publikum:
Eine wild durchmischte Ansammlung von Menschen lässt sich von der Band zwei Mal bitten, nähert sich dann letztlich aber doch der Bühne an und lässt vergessen, dass die hintere Hälfte des schlauch-förmigen Raumes eher trist aussieht. Vorne breitet sich jedoch immer größere Freude aus, es kommt sogar zu einem Mini-Moshpit der jüngeren Besucher.
Dramaturgie:
Nach der aus zwei Tracks bestehenden Aufwärmphase spielen Sløtface mit „Bright lights“ ihren ersten Song der ebenfalls nicht zu unterschätzenden EPs. Mit „Empire records“ und dem kratzigen „Sponge state“ folgen im weiteren Verlauf der Show allerdings nur zwei weitere Ausflüge in die Vergangenheit. Ansonsten spielen die Norweger ihr komplettes Debütalbum und halten sich mit einigen Ausnahmen gar an die Reihenfolge. Nach dem vielseitigen „Slumber“ beenden Sløtface das Set mit dem explosiven „Nancy Drew“ inklusive intensiver Jam-Session und dem punkigen „Backyard“.
SpecialFX:
Auf Ansagen verzichtet das Quartett größtenteils – abseits höflicher Danksagungen und der Bitte sich doch anzunähern. Etwas erstaunlich, erhebt die in ihren Texten häufig gesellschaftskritisch agierende Band doch sonst gerne seine Stimme gegen Missstände. Stattdessen lassen Sløtface die Musik und das Licht im Vordergrund stehen. Simple Lichteffekte wie das pointierte, gänzliche Weglassen von Licht imponieren dabei besonders. Auf der Bühne stehen die umtriebig hüpfende Hayley und Bassist Lasse im Rampenlicht. Letzterer lässt seine Finger beeindruckend über das Griffbrett fliegen und verleiht der Musik eine ganz besondere Dynamik, die auf dem Album so nicht erkennbar ist. So werden auch die sonst etwas einfach gestrickten Tracks wie beispielsweise „Try“ aufgemotzt. Ganz stark!
Moment des Abends:
Wie schon auf der Platte bleiben nicht etwa die Singles sondern die etwas in den Hintergrund gerückten Tracks besonders in Erinnerung – hier sogar im Doppelpack. Der heimliche Hit „Galaxies“ erscheint live mit mehr Bass gleich noch dynamischer und intensiver und wird nur vom folgenden „Night guilt“ getoppt. Hier kommen alle Dinge zusammen, mit denen Sløtface an diesem Abend überraschen und überzeugen können. Nach einem kurzen Speech-Intro untermalen epileptische Lichteffekte das zackige Riff und kreieren eine Spannung, deren Auflösung nicht enttäuscht. Auch hier führt Lasses Bass mit mörderischem Bass-Anschlag durch das Lied und vergoldet diesen Kracher.
Und sonst so?
Nach der Show begeben sich die vier sympathischen Norweger schnurstracks zum Merch-Stand und verkaufen dort gut gelaunt einen Haufen Platten und CDs. So hat sich der Halt in der Metropole also letztlich nicht nur für das Publikum sondern auch die Band gelohnt.