Diese Woche wird im Songquartett die Bekanntheitsskala einmal komplett abgedeckt. Von der kleinen Indie-Band Saivs, die ihre Musik selbst verschickt, bis hin zu the one and only Liam.
1. Saivs – Silhouette (Opener)
Um die Besonderheit des Auftauchens dieses Songs zu verstehen, muss kurz erklärt werden, wie Musikblogs für gewöhnlich an neue Musik gelangen. Liebevoll versenden Promo-Agenturen den neusten Shit und erklären in einem Pressewisch, wieso jener Shit besonders toll sein soll. Vereinzelt melden sich auch Künstler und Bands selber, und schreiben dann in einer mehr oder weniger Copy-Paste-Nachricht ähnliches und erhoffen sich Berichterstattung. Insbesondere netten Bands fällt es dabei immer schwer abzusagen, wenn der Musikstil nicht passt. Und was hat das jetzt mit Saivs zu tun? Ganz einfach, die amerikanische Indie-Band hinterließ vor nicht allzu langer Zeit einfach eine Mini-Nachricht, nicht länger als ein Tweet und schickte den Link zu „Silhouette“. Fast schon frech, aber irgendwie auch ein wenig cool. Vor allem, wenn der zugehörige Track so umhaut. Mit kratzenden Gitarren und modernen, eisernen Synthies hechtet sich das Quintett aus Utah in den Song und überzeugt von da an mit Eingängigkeit und einem überraschend einprägsamen Refrain. Kurz und bündig kann auch gut sein.
2. Alessandro Cortini – Perdonare (Video)
Vielleicht ist dieses instrumentale Synthie-Geschichte eine kleine Überraschung. Im tollen „Perdonare“ von Alessandro Cortini eröffnen sich Klangwelten, die an dieser Stelle selten empfohlen und besprochen werden. Perfekt, um sich in dunklen Jahreszeiten zu fokussieren oder erholen, wie auch das stimmungsvolle Old-School-Video mit seinen Winterbildern zeigt. Von klassischen Songstrukturen ist nicht ein Deut zu erkennen; der Italiener verzichtet außerdem auf Percussion und legt so auf seinem neuen Album „Avanti“ eine einzige Soundwand hin, die ein unglaublich vielfältiges Relief hat. Ein Unbekannter ist Cortini auch nicht: Der gut 40-Jährige ist in Vergangenheit vor allem als Live-Mitglied der Industrial-Monster von Nine Inch Nails in Erscheinung getreten. Hier geht es etwas ruhiger, wenngleich nicht weniger verstörend zur Sache.
3. Liam Gallagher – Doesn’t have to be that way (Hit)
Ach, Liam. Wie kam es denn dazu? Würden dir immer noch vier Leute deinen Tee machen, wärst du dann nicht auf die bescheuerte Idee gekommen „Doesn’t have to be that way“ nur als Bonus-Track zu veröffentlichen? Das hat sich das Manchester-Maskottchen wohl bei seinem geliebten Bruder abgeguckt, der unlängst das fantastische „Freaky teeth“ auf der Deluxe-Version seiner zweiten Platte versauern lassen hatte. Aber hey, immerhin ist „Doesn’t have to be that way“ ja auf allen gängigen Streamingdiensten hörbar. Glück gehabt. Denn auch wenn das gesamte Solodebüt von Liam Gallagher durchaus seinen Charme hat und Instant-Britpop-Classics wie „For what it’s worth“ und „I’ve all I need“ raushaut, ist jener Bonus-Track vielleicht der stille Hit von „As you were“. Mit dicker Psychedelic-Produktion und einer verdrehten Hook erscheint „Doesn’t have to be that way“ in einem mysteriösen Licht und erinnert damit an die guten Momente vom letzten Oasis-Album.
4. Valparaiso (feat. Phoebe Killdeer & Howe Gelb) – Rising tides (Ballade)
Wann darf man einen Act eigentlich Kollektiv nennen? Wieso werden Broken Social Scene trotz ihrer relativ festen Mitglieder zum Beispiel immer als Kollektiv bezeichnet? Wie dem auch sei: Wenn eine Platte bei 13 Songs original jeweils mindestens ein Feature listet, sieht man schon, dass da etwas besonders zu sein scheint – so der Fall bei „Broken homeland“, dem ersten Album der französischen Valparaiso. Das Kollektiv (ha!) bildet sich um zwei Mitglieder der französischen Band Jack The Ripper und hat unter Aufsicht von John Parish (legendäre Zusammenarbeit mit PJ Harvey) ein sehr atmosphärisches, verstückeltes Album aufgenommen. Nahezu jedem Indie-Folk-Track wird eine andere Stimme gewidmet. Die Beteiligten sind dabei keine Unbekannte. Neben vielen Vertretern der französischen Indie-Szene (z.B. Moriarty) singen auf „Rising tides“ Howe Gelb von Giant Sand und Nouvelle Vague’s Phoebe Killdeer, die noch weitere Tracks unterstützt. Die gegensätzlichen Stimmen der beiden verschmelzen dabei zu einem hypnotisch-entspannenden Ensemble und verstärken dabei die sowieso schon knisternde Stimmung.
Wie immer findet ihr die Tracks auch im aktuellen that new music mix. Hört es euch an. 😉