Diese Woche im Songquartett: eine positive Überraschung, ein Anfang der zugleich Ende ist, eine großartige Indie-Zusammenstellung und Creepy-Wörter. Oder auch: Nic Cester, Rince-Doigt, Lost Horizons und Dillon.
1. Rince-Doigt – Francorchamps (Opener)
Die Veröffentlichung des ersten Langspielers muss für viele Künstler der absolute Wahnsinn sein. Der Eintritt in die großartige Musikwelt. Man stelle sich vor, wie sich beispielsweise Arcade Fire gefühlt haben, als sie „Funeral“ endlich in den Läden fanden – und damit ihre Weltkarriere starten. Nicht ganz so wird das Schicksal der belgischen Band Rince-Doigt ausgehen. Und zwar nicht etwa, weil die qualitativ nicht gut sind. Das Trio hat bereits vor Veröffentlichung ihres Debüts „Croisière annulée“ angekündigt, dass dieses erste Werk auch gleichzeitig ihr letztes sein würde. Für andere Projekte soll sich Zeit genommen werde. Schade. Immerhin ist der Instrumental-Rock der jungen Freunde zwar nicht immer innovativ, aber ziemlich eingängig und abwechslungsreich, wie zum Beispiel das spannende „Francorchamps“ zeigt. Irgendwo zwischen Prog-, Indie- und Post-Rock bewegen sich Rince-Doigt und zeigen ein Mal mehr, dass auch ohne Lyrics einfühlsame und unterhaltsame Werke möglich sind. Die gute Nachricht für alle Fans: Immerhin ist Drummer Martin Teil des ebenso spannenden Instrumental-Piano-Jazz-Rock-Projektes Glass Museum, die nach spannenden Vorabtracks (siehe u.a. Soundtrack zum Dour Aftermovie) bald ihre erste EP veröffentlichen.
2. Lost Horizons – Score the sky (Video)
Wer sich mit gut arrangierter Indie-Musik beschäftigt, der wird um Simon Raymonde und sein großartiges Label Bella Union nicht herumkommen. Zur Feier des 20. Geburtstages seines Baby-Labels beschenkt der ehemalige Bassist der ebenso legendären Cocteau Twins die Welt darüberhinaus mit einem Album aus eigener Feder. Gemeinsam mit Richie Thomas (Dif Juz, The Jesus And Mary Chain) ist er Hauptbestandteil des Projektes Lost Horizons, welches auf seinem Debütalbum gleich 15 Lieder zum Besten gibt. Kein Wunder, schließlich feilen die beiden gestandenen Musiker schon seit längerer Zeit an gemeinsamen Stücken. Auf dem beeindruckenden „Ojala“ werden diese Songs von verschiedenen Sängerinnen und Sängern dargeboten, wodurch die abwechslungsreiche Platte beinahe wie ein Sampler wirkt. Einer der wunderbaren Ausreißer ist dabei das verträumte „Score the sky“, in dem die verzaubernde Stimme von Leila Moss (The Duke Spirit – auch zu empfehlen) zu Wort kommt. Über schmachtende Gitarrenklänge und eine sanft vorantreibende Rhythmus-Sektion breitet sich die Engländerin mit ihrer angenehmen Stimme aus. Ähnlich hinreißend wie die Komposition ist das mysteriöse, ästhetische Video, in dem zwei Tänzerinnen schön in Szene gesetzt die verlassene SS Columbia erkunden.
3. Nic Cester – Hard times (Hit)
Überraschung. Wer hätte das gedacht, dass ungefähr fünf Jahre nach dem Mehr-oder-weniger-Aus der Testosteron-Rocker von Jet deren Sänger sich so weiterentwickelt? Aber nochmal ganz von vorn. Richtig, Jet, das sind die mit dem elendigen Indie-Disco-Schmeißer „Are you gonna be my girl“. Doch auch abgesehen davon haben die Australier anständige Musik gemacht, vor allem in den ruhigeren Momenten, die auf ihrer starken Sommer-Platte „Shine on“ versammelt wurden. 2012 wurde es den Boys dann aber zu viel und was danach kam war wenig rühmlich. Lange: nichts. Dann dieser Geschmacksverirrer der Party-Brudis The Bloody Beetroots, dem Frontmann Nic Cester seine zugegeben einzigartige Rotz-Stimme lieh. Und nun veröffentlich eben jener Nic Cester sein erstes Solo-Album und überrascht auf diesem nicht nur musikalisch sondern auch qualitativ. Der inzwischen in Italien lebende Australier verschreibt sich neben zurückgenommeneren Garagen-Rock vor allem dem Soul und Funk – und bringt damit den Groove zum Vorschein. Vermischt mit seiner damit großartig harmonierenden Stimme schießt Cester einen Hit nach dem anderen raus. Nicht nur die Singles überzeugen, sondern auch die etwas im Hintergrund erscheinenden Album-Tracks wie das famose „Hard times“. Ruhige Strophe, steigende Dynamik in Richtung Refrain und ein großer solcher.
4. Dillon – Lullaby (Ballade)
Sie ist weiterhin die Alte. Auch die dritte Platte von Dillon ist in keiner Weise leicht zugänglich. Zu zerstückelt sind die faszinierenden Konstruktionen der gebürtigen Brasilianerin. Ein Mal mehr verbreitet die junge Künstlerin auf „Kind“ aber eine unheimliche, besondere Stimmung. Ganz auffällig ist das im pragmatisch betitelten „Lullaby“, welches übrigens kein The-Cure-Cover ist, dafür aber eine andere Besonderheit aufzeigt. Mitten im Refrain ertönt inmitten der englischen Lyrics „Schlaf ein, schlaf ein“. Sonderbar. Unheimlich. Intensiv. Drei Adjektive, die sich auf die ganze Platte von Dillon übertragen lassen, in diesem kleinen, ruhigen Stück aber vielleicht ihren puren Ursprung sehen.
Genießt die vier Stücke auch ohne viel Geklicke im that new music mix.