Songquartett der Woche (24/17)

Endspurt 2017. Vor dem elenden Weihnachtsgeschäft gibt’s nochmal richtig starke, neue Musik von Neufundland, Kid Dad, Quicksand und Island.

1. Neufundland – Alles was bleibt (Opener)

Deutsche Singer-Songwritermusik hat in den letzten Monaten vom Indie-Mainstream ordentlich eingesteckt. Zurecht. Wer braucht schon nörgelnde, durchpolierte Muttersöhnchen, die um jeden Preis der größtmöglichen Masse gefallen wollen und sich deswegen nichtmal politisch klar positionieren. Viel mehr als diese Zeilen sollen jenem Auswuchs deutscher Musik auch gar nicht gewidmet werden. Es gibt ja noch so viel mehr. Doch auch in qualitativeren Gefilden wird man sich nicht einig. Gerne werden die etwas besseren Pop-Musiker wie Clueso oder Bosse ähnlich grob abgeschrieben und stattdessen die oft zitierte Hamburger Schule gehuldigt. In genau diesen Spalt dringt nun eine aufstrebende Band aus Köln herein. Die fünf Jungs von Neufundland haben jüngst ihr Debütalbum „Wir werden niemals fertig sein“ veröffentlicht und verbinden auf diesem Hamburger Schule mit durchaus poppigen Elementen. Obendrauf gibt’s hier und da ein bisschen Bilderbuch-Elektronik und vereinzelt auch (Post-)Punk. Letzteres gelingt besonders gut im fabelhaften Albumopener „Alles was bleibt“, der nach überzeugendem Gitarrengeschrammel in der Bridge richtig eskaliert. Eine ausgefeilte Mischung, die Fans von verschiedenen Ufern der deutschen Musik abholen dürfte – und bestenfalls zusammenbringt.

2. Kid Dad – My inner baby (Video)

Was ist ein Zeichen dafür, dass eine Band kurz vor dem Durchbruch steht? Verschiedene Support-Touren für gestandene Acts sind da ein Anhaltspunkt. Nachdem sich die jungen Giant Rooks so vor kurzem ohne Album in den Indie-Himmel gearbeitet haben, stehen die Zeichen darauf, dass nun Kid Dad dran sind. Gemeinsam ist den beiden deutschen Bands, dass sie vor den umtriebigen Emsländer von Razz spielen durften bzw. dürfen. Damit wären die Gemeinsamkeiten aber auch erstmal dargelegt. Wie die anderen Support-Slots für z.B. And So I Watch You From Afar vermuten lassen, sind Kid Dad eher der härteren Gangart zuzuordnen. Irgendwo zwischen Emo-Punk und Alternative-Rock befindet sich auch die aktuelle Single des Vierers. „My inner baby“ sucht dabei bezüglich Druck und Kraft seinesgleichen. Mit voller Power kommen Kid Dad aus den Boxen getönt und sorgen für ein intensives Spektakel. Auch das aufregende Video, in dem ein mit Folie überzogener Würfel für ansprechende Effekte sorgt, trägt zu dieser emotionalen Stimmung bei. Verdammt überwältigende Performance.

3. Quicksand – Cosmonauts (Hit)

Es scheint wohl gerade Mode zu sein, längst vergessene Bands wieder auferstehen zu lassen. Nachdem dieses Jahr unter anderem die Shoegaze-Helden Slowdive und Ride ihre ersten Alben seit Jahren veröffentlichten, ist der Trend auch auf andere Musikrichtungen übergesprungen. Nach dem unerwarteten Brand-New-Album, welches aufgrund der jüngsten Ereignisse nun in einem anderen Licht erscheint, haben sich auch Quicksand in jene Auswahl von auferstandenen Bands eingereiht. Kurz zur Einordnung: Die amerikanische Truppe hat in den 90er-Jahren mit ihren zwei Alben maßgeblich den Hardcore-Sound beeinflusst, ehe sie sich gleich zweimal auflösten. In anderen Projekten wurde die Musik weitergetragen – Bassist Vega ist beispielsweise bei den Deftones eingestiegen. Nun haben sich die vier New Yorker aber wirklich zusammengeschlossen und mit „Interiors“ ihre erste Scheibe nach über 20 Jahren aufgenommen. Auf dieser kommen Quicksand mit einem schweren, fast schon Grunge-artigen Sound angedampfwalzt. Absolutes Highlight der Platte ist dabei das wunderschön vorantreibende „Cosmonauts“, welches sich im Refrain von einer süchtig machenden Gitarrenlinie leiten lässt. Ein echter Hit.

4. Island – The day I die (Hymne)

Das hatten wir doch dieses Jahr schon. Richtig, auch die überraschend treibende The-National-Single hörte auf den Namen „Day I die“. Sehr viel gemächlicher lassen es hingegen die ungleich unbekannteren und jüngeren Island angehen. Die britische Band befindet sich derzeit auf ausführlicher Europa-Tour, an derer Ende am Horizont im April das Debütalbum erscheinen soll. Und wenn dieses einen ähnlichen Weg geht, wie die zweite Single „The day I die“, dann müssen sich die vier Jungs so schnell keine Sorgen um Studien- oder Ausbildungsplätze machen. Mit dickem Sound à la Kings of Leon ausgestattet fahren Island auf der Melodie-Autobahn auf der Überholspur. „The day I die“ glänzt mit flächendeckenden Gitarren und der sehr markanten Stimme von Sänger Rollo Doherty (auf das Pete-Doherty-Wortspiel wird hier verzichtet). Eine krasse Mid-Tempo-Hymne, die sowohl die größeren BBC-Radios wie auch Britische-Indie-Liebhaber begeistern wird.

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