Review zu „Suprafon“ von Suzan Köcher’s Suprafon | Gleiche Band, neuer Name. Suzan Köcher verewigt im Zuge ihres zweiten Albums „Suprafon“ ihre tolle Begleitungstruppe gleich im Bandnamen. Auch sonst spürt man unter der neuen Bezeichnung Suzan Köcher’s Suprafon die ein oder andere zauberhafte Entwicklung. Eine fantastische Träumerplatte.
Suzan Köcher’s Suprafon? Wer ist das nochmal?
Eine inzwischen aus dem ursprünglichen Solo-Projekt Suzan Köcher hervorgegangene Band. Die junge Dame aus Solingen wurde an dieser Stelle schon öfters vorgestellt, ein Mal im Zuge ihrer Debüt-EP „Blood red wine“ und schließlich zum überzeugenden Langspieler „Moon Bordeaux“. Schon damals wurde die Gitarristin und Sängerin eifrig unterstützt: Der große Teil der mysteriösen Psychedelic kam von ihrem Begleittrio rund um Blackberries-Sänger Julian Müller. Nun scheint die Instrumentalsektion derartig ins Songwriting und in die Produktion integriert gewesen zu sein, dass Suzan die Kollegen direkt in den Bandnamen aufnimmt. Und das nicht zu Unrecht: Die Kompositionen sind noch ausgereifter geworden, lassen an vielen Stellen mehr Raum für Instrumentalparts, die bei einem Solo-Act tatsächlich einen bizarren Eindruck hinterlassen würden. Spannend übrigens auch: Das Debütalbum „Moon Bordeaux“ erschien erst 2018 – viel Zeit ist demnach nicht vergangen.
Was muss ich über „Suprafon“ unbedingt wissen?
In Pressetext und jeglicher zukünftiger Berichterstattung sicher ausgeschlachtet, aber wegen des mitschwingenden Gefühls an dieser Stelle ganz wichtig: Inspiriert wurder der Liederzyklus „Suprafon“ von einer gemeinsamen Reise nach Prag der Suzan-Köcher-Gang. So lässt sich nicht nur der Name erklären (das ähnlich geschriebene „Supraphon“ ist ein tschechisches Plattenlabel) sondern auch die tschechisch betitelten Songs der zweiten Albumhälfte. Keine Angst, die Lyrics dazu sind stets in Englisch gehalten. Nicht wegen der vorhanden Sprache oder des Albumtitels sondern der sphärischen Musik zu Dank entwickelt sich auf der Platte schnell eine Stimmung des Verreisens. Natürlich ist man durch die Entstehungsgeschichte geframed, aber auch musikalisch sieht man klappernde Züge mit halb geöffneten Fenstern und einer Maximalgeschwindigkeit von 120 km/h vor sich. Den Kopf raushalten und die Morgenfrische über sich ergehen lassen – so etwas ähnliches geschieht auf diesen offensichtlich eine Geschichte erzählenden neun Songs.
Was sind die großen Highlights?
Schwierig bei der definitiv auf Albumsform produzierten Platte einzelne Rosinen rauszupicken. „Poisonous ivy“ bietet vielleicht den klassischsten Standalone-Hit, wird aber im Gesamten von anderen Tracks überschattet. Schon „Peaky blinders“ fasziniert mit dem plötzlichen Umschwung in der Mitte des Stücks, wenn auf einmal der Retro-Synthie sich durch das Soundbild sägt und zu neuem Tempo den Ton angibt. Überraschend ist, wie sich das lange „Texan sun“ über ganze sieben Minuten lang hält. Eine abwechslungsreiche Instrumentierung, die trotzdem in einem klar abgesteckten Rahmen bleibt, ist hier der große Trumpf und fasziniert generell auf dem ganzen Album. Zudem die sehr eindringliche, aber markante Stimme von Suzan, die sich in erster Linie durch viel Luft und traumhaft wohligen Klängen im unteren Bereich auszeichnet. Das mit dem instrumentalen „Zitra“ beginnende Trio bereitet auch viel Laune, allein durch die kaum auffallenden Übergänge, die gut zehn Minuten Musik verbinden.
Wann sollte ich die Platte auflegen?
„Suprafon“ ist selbstverständlich in erster Linie ein Reisealbum für die Kopfhörerbusfahrt durch die Nacht oder das Landstraßefahren in einer unbekannten, fernen Region. Da dies natürlich so häufig nicht möglich ist, bietet die Platte ein ähnliches Eskapismus-Erlebnis im Alltag, vornehmlich in den späteren Stunden des Tages. Abendessen längst hinter sich gebracht, Spülmaschine ein- und Zimmer aufgeräumt und zur Abwechslung mal nichts im Terminkalender? Diese Platte auflegen! Vermischt mit einer kleinen Prise Fernweh oder Weltschmerz wird man hier in Sekundenschnelle abgeholt, allein durch das in den Bann ziehende Intro von „Peaky blinders“. Je länger die Scheibe fortschreitet, desto smoother werden die Übergänge, zum Beispiel zwischen den tschechisch betitelten Tracks – hier wird wahrlich eine Welt aufgezeichnet. Macht Laune auf Zugfahren, kaltes Pilsner Urquell aus dem gut sortierten Bahnhofskiosk im Gepäck.