Konzertbericht Von wegen Lisbeth in Saarbrücken | Achtung, Durchstarter! Von wegen Lisbeth spielen auf ihrer Tour zum zweiten Album in immer größeren Hallen. In der Saarbrücker Garage zeigen die Berliner ihr weitreichendes Instrumentesammelsorium und faszinieren mit langer Spielzeit.
Fotos von Siana. <3
Anlass:
Eine beachtenswerte Entwicklung haben Von wegen Lisbeth da hingelegt in den letzten Jahren. Einmal tief in der Erinnerungskiste des Gedächtnisses gegraben erinnere ich mich an nur leicht gefüllte kleine Konzertsäle und Smalltalk an der Fernbushaltestelle kurz vorm Live-Radiointerview. Und jetzt ist die Band so richtig groß – also wirklich so richtig! Gut, dazwischen gab es ein umjubeltes Debütalbum und den würdigen Nachfolger mit der absurden Mailadresse aus Schulzeiten. Trotzdem krass! Mit eben jener zweiten Platte ist die Berliner Truppe auf Deutschlandtour und verkauft Stadt um Stadt problemlos aus.
Venue:
So auch die schöne Garage in Saarbrücken, immerhin vor dem noch größeren E-Werk der zweite Endgegner im saarländischen Booking. Dass die Venue ausverkauft ist, fällt auf: Schon zwischen Einlasstür und Tour-LKW tummeln sich haufenweise Leute, rauchend, biertrinkend oder ticketverkaufend. Auch drinnen wirkt es im ersten Moment sehr voll, fast ein bisschen zu voll. Sobald der erste Ansturm auf die Theken abflacht, verteilt sich die Menge im breiten Raum. Die Sichtbedingungen sind von allen Stellen top, insbesondere von der Seite kommt man flugs an die Bühne.
Support:
Zumindest ein Absatz sollte über den liebevoll ausgesuchten Support verloren werden: die Berliner Groove-Maschine Say Yes Dog eröffnet den Abend. Witzige Anekdote: Damals im gleichen, auch halbleeren Saal gesehen wie Von wegen Lisbeth zu EP-Zeiten – nun natürlich von den Durchstartern weit abgehängt aber immer noch ein cooles Ding. Beim lauschenden Publikum kommt der WhoMadeWho- und Hot-Chip-infizierte Elektro-Pop mäßig gut an: Der Band wird zwar Aufmerksamkeit geschenkt, der nahezu unwiderstehliche Groove aber nur in Teilen angenommen, obwohl das Set klanglich und auch vom Licht vielversprechend ist. Aber gut, ist eben auch nicht wirklich die exakt passende Musik zum Hauptact.
Publikum:
Artverwandte Acts sind bei einem Blick durchs junge Publikum eher die Donots, Leoniden, Blackout Problems oder Beatsteaks. Generell trägt die sichtlich gut gelaunte Menge viel Bandmerch, nur Von wegen Lisbeth scheinen sich in dieser Hinsicht noch nicht richtig etabliert zu haben. Zwischen vielen Jungstudis und Mittzwanzigern verirren sich ein paar ältere Semester, die sich vom Hype anstecken lassen haben. Während des Sets wird in erster Linie für sich getanzt, geschubst wird dabei bis auf einen kleinen Pogokreis im hinteren Drittel fast gar nicht. Dafür sind die etwa 1000 Fans gesanglich voll am Start, fragen sich nach dem Sinn von Sternburg Doppelkaramell und haben offenbar alle Linas neue Handynummer.
Dramaturgie:
Spielzeit is king! Faszinierende 1:50 Stunden spielen die fünf Berliner Boys, welches im Vergleich zu den fast schon üblichen 75 Minuten bei anderen Acts eine ordentliche Hausnummer für eine Youngster-Band mit zwei Alben in petto ist. Auf dem Papier ist keine klare Dramaturgie zu erkennen, Von wegen Lisbeth hauen einfach Song an Song raus und halten damit die gute Stimmung aufrecht. Das erste Drittel ist mit „Chérie“, „Westkreuz“ und „Meine Kneipe“ mit vielen Hits besetzt, das zweite Drittel hat neben Highlights wie „Lang lebe die Störung im Betriebsablauf“ und „30 Segways, ein Ferrari“ auch einige Längen und der Abschluss fährt wieder mit den großen Publikumslieblingen auf. Mit dem 24. Song „Sushi“ beenden die Berliner nach drei vorab geplanten Zugaben das Set in einer großen Party.
SpecialFX:
Große Ungewöhnlichkeit im Bühnenbild ist ein Halbkreis voller Kunststoffscheiben, die sich mehr oder weniger spektakulär drehen und immer mal wieder schöne Lichteffekte erzeugen. Will an sich aber auch heißen: Die wirklichen Spezialeffekte sind die fünf Protagonisten und (vor allem) ihre Instrumente. Wer immer noch denkt, Von wegen Lisbeth klingen wie ein gelungenes Experiment mit allen auffindbaren Tönen eines Casio-Keyboards: Die Berliner Truppe beweist auf der Bühne das Gegenteil. Ein ganzes Arsenal Tasteninstrumente, Gitarre hier, Gitarre da, Saxofon, Steel Pan, Xylophon, Glockenspiel – alles wurde irgendwie in den LKW gepackt und wird nun in ständigem Hin-und-Her-Laufen liebevoll bedient. Immer wieder lassen sich Von wegen Lisbeth zu instrumentalen Bridges und Zwischenspielen hinreißem, die Mal um Mal zu Highlights werden. Alles überdeckend: Der Balthazar-Style-Bass, der jegliches Instrumenten-Ensemble problemlos nach vorne treibt.
Moment des Abends:
Natürlich haben sie es schön herausgezögert, aber das Hauptset-Finale mit „Bitch“ und „Wenn du tanzt“ hat es naturgemäß so richtig in sich. Der ganze Saal kennt den Text und verwandelt sich während der beiden Songs endlich in einen großen Partykessel. Der Mini-Moshpit aus der hinteren Abteilung setzt sich immer stärker durch und es wird verdammt warm in der Garage. Klar, vorhersehbar, dass die Hits dort kommen, aber in dem Fall auch cool.
Und sonst so?
Ich musste zwischendurch mal daran denken, dass Von wegen Lisbeth in Teilen Wir sind Helden im Jahr 2019 sind. Hatte schonmal jemand die gleiche Assoziation? Nur ein bisschen weniger divers in den Stimmungen, aber Lyrics, Groove und Hype-Faktor haben doch etwas gemeinsam, oder?
Hier könnt Ihr Euch nochmal durch die Tracks der Truppe hören: