Gut reingerutscht? Wenn ihr noch ein wenig Nachhilfe braucht, sind diese flotten Neuveröffentlichungen perfekt für euch. Mit dabei diesen Monat: u.a. HYMMJ, Requin Chagrin, Balthazar, Friska Viljor und Martin Kohlstedt.
Balthazar – Wrong vibration
Schublade: Nick Cave, Leonard Cohen, The National, Nick Drake
Alle Augen auf Balthazar und ihr neues Album „Fever“! Nach erfolgreichen Solo-Ausflügen besinnt sich die Band um das Sängerduo aus Maarten Devoldere und Jinte Deprez wieder auf seinen Vollzeitjob, hat auf der wilden Fahrt jedoch Violinistin Patricia Vanneste die Ausfahrt nehmen lassen. Viel verändert hat sich nicht am Sound der Belgier, deren allenfalls ein vermehrter Warhaus-Einschlag (wieso auch nicht?) und kleine Ausflüge in Richtung WhoMadeWho-Elektro-Pop nachgesagt werden können. Im Großen und Ganzen gibt es aber viele Stücke die das schüchtern-simple „Wrong vibration“. Schöne Melancholie-Nummern, die im Genre des zurückhaltenden Indie die königliche Krone fest in der Hand haben.
Requin Chagrin – Mauvais présage
Schublade: Camp Claude, Flavien Berger, The Growlers, TOPS
Nicht Krokodilstränen sondern flennende Haie sind hier Sache. Natürlich nur namentlich, denn Requin Chagrin heißt in französisch so viel wie „trauriger Hai“. Die Musik der Pariser Künstlerin siedelt sich hingegen im schönen Feld zwischen Psychedelic-Pop und französichem Chanson an. Umwerfend, wie dabei ein Fast-Sechs-Minüter wie „Mauvais présage“ auch über die Dauer mitreißen kann.
HYYMJ – Giving myself a chance
Schublade: Shout Out Louds, The Kooks, Giant Rooks, Kings of Leon
Indie-Pop ist noch längst nicht tot, beweisen immer wieder Bands aus Good Ol‘ Wurstland Germany. Nach dem bereits tollen „Magnetic heart“ legen die wunderbaren HYMMJ aus der Hauptstadt mit dem charmanten „Giving myself a chance“ ohrwurmig nach. Hier und da bisschen Indie-Melancholie à la Shout Out Louds, da die Epicness der späten Kings of Leon – die Mischung stimmt! Auch in 2019.
The Twilight Sad – Vtr
Schublade: New Order, My Bloody Valentine, The Cure, Editors
Ein dickes Waschbrett kommt hier angeflogen – und legt die Post-Punk-Messlatte mal knapp unter die hohe Glasgower Altbauwohnungs-Decke. The Twilight Sad schrauben auf ihrer neuen Platte vermehr an den Synthies (ob sie das wohl bei der ellenlanen The-Cure-Supporttour gelernt haben?) und vermitteln damit eine ganz besondere, neue Atmosphäre. Aus allen schwarzen Ecken hallen New Order, obendrauf bessere Editors-Tracks als die Band selber: „Vtr“ ist ein wundervolles Stück aus einem schaurig guten Album.
dodie – Human
Schublade: Feist, Holly Miranda, Cat Power
Von der Influencerin zum Indie-Popstar. dodie lebt sich ein Mal quer durch die Möglichkeiten des digitalen Lifestyles und ist derzeit in aller Munde. Das Erstaunliche: Der Musik der jungen Engländerin hört man dieses Setting mal so überhaupt nicht an. Dodie Clark macht schüchternen, sanften Songwriter-Pop, der sich zwar nirgendwo die Zähne ausbeißt aber ganz gemütlich seinen Weg in die Kaffeehaus-Playlist findet. Schöne Überraschung!
Friska Viljor – Failure
Schublade: Johnossi, Shout Out Louds, U2
So sehr Friska Viljor mit dem Überraschungsrelease „Broken“ mit der Tür ins Musikhaus fallen, so wenig scheppert es auf eben jener Platte. Die Schweden entdecken neue Stile für sich und sind generell ruhiger, was vermutlich an der schwierigen Entstehungsgeschichte von „Broken“ liegt. Balladen wie „Failure“ bekommen einen ganz anderen Anstrich, lassen aber hinter schön dosiertem Electro-Pad auch den Friska-Charme wundervoll, wenn auch dezent erscheinen.
Martin Kohlstedt – NIODOM (feat. GewandhausChor)
Schublade: Lambert, Grandbrothers, Gonzales
Huiii, da läuft ein eiskalter Schauer der Schönheit über den mit mehreren Pullis zugedeckten Rücken. Der brillante Martin Kohlstedt hat sich für sein neues Release (VÖ Mai 2019) mit dem Chor des Leipziger Gewandhauses zusammengetan und lässt über seine wundervollen Piano-Klänge tollen Chorgesang erklingen. Nach dem gemeinsamen Projekt von Lambert & Dekker die nächste sehr gelungene Ausweitung eines klassischen Neo-Klassik-Sounds.